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Veröffentlicht am 02.08.2022 16:58

Es flattert unterm Kirchendach: Besuch bei den Fledermäusen

Andere zählen Schafe, Markus Bachmann Fledermäuse. Die FLZ hat den Experten beim Begutachten einer Kolonie der Großen Mausohren begleitet. Irgendwo im Landkreis Ansbach hausen die Flattertiere friedlich in einer Kirche. Auf eine genaue Ortsbezeichnung verzichtet die Redaktion – die fliegenden Säuger sollen ungestört bleiben.

Fledermäuse hört man nicht? Das ist so nicht ganz richtig. Zwar liegen die Ultraschallaute, die der Orientierung beim Fliegen dienen, jenseits der menschlichen Hörgrenze. Deutlich wahrnehmbar sind aber die Soziallaute, mit welchen sie untereinander kommunizieren – ein lautes Fiepen, das den Kirchendachboden erfüllt. Direkt unter dem First hängen sie kopfüber und dicht gedrängt.

Das Große Mausohr ist mit einer Körpergröße von etwa acht Zentimetern, einem Durchschnittsgewicht von 30 Gramm und einer Flügelspannweite bis zu 40 Zentimetern die größte Fledermausart, die rund um Ansbach zu finden ist. Die Kolonie, die Bachmann im Dachboden eines Kirchenschiffs aufsucht, ist die größte im Landkreis und lebt in „einem der kleinsten FFH-Gebiete, das es gibt“. Nur die Kirche selbst ist als Fauna-Flora-Habitat-Gebiet (FFH) eingestuft – zum Schutz der gefährdeten Säugetiere.

Tiere schlafen am Tag nicht durchgehend

Entgegen verbreiteter Meinungen schlafen die Fledermäuse keineswegs den ganzen Tag durch. Ob sie wahrnehmen, dass sie artfremden Besuch bekommen? Davon ist Bachmann überzeugt. „Die hören uns. Die reden jetzt auch untereinander.“ Worum es bei der gefiepten Fledermaus-Kommunikation wohl geht? Der Experte scherzt: „Die denken sich: Jetzt ist der schon wieder da. Einmal im Jahr nervt uns der gewaltig.“ Angst haben die Flattertiere seiner Einschätzung nach aber nicht: „Die wissen, dass nichts passiert.“

Seit 1997 kontrolliert er im Auftrag des Bayerischen Landesamtes für Umwelt einmal jährlich sämtliche Quartiere im Landkreis Ansbach. Die Wochenstubenzählung darf nur mit Genehmigung der höheren Naturschutzbehörde durchgeführt werden. Acht Kolonien der Großen Mausohren sind im Landkreis Ansbach bekannt – sämtliche Quartiere befinden sich in Kirchen.

Als Vorsitzender der Ansbacher Kreisgruppe des Landesbundes für Vogelschutz ist Bachmann nicht nur Vogelexperte, sondern versucht auch, in der Öffentlichkeit die Begeisterung für Fledermäuse zu wecken. Diesmal wird er von Selina Hemmer begleitet, die in Triesdorf Umweltsicherung studiert. Um die Entwicklung des Bestands einschätzen zu können, steigt er – ausgestattet mit Taschenlampe und einem Klicker als Zählhilfe – auf die Leiter, um die fliegenden Säugetiere zu zählen. Die lassen sich kaum aus der Ruhe bringen, nur ab und zu verlässt eine ihren Hangplatz und flattert durch den dunklen Raum.

Ganz einverstanden sind die Fledermäuse mit der Störung aber doch nicht. „Die haben mir ins Auge gepieselt“, klagt Bachmann wenig später. Das brennt, ist aber nicht gefährlich, versichert er. „Es werden keine Krankheiten übertragen.“

Wie zählt man so eine flatterhafte Schar? Denn Stillhängen wollen die Fledermäuse nicht. „Ich zähle Nasenspitzen“, verrät er. Dabei betrachtet er einen Holzbalken nach dem anderen. Erst werden alle Tiere komplett gezählt, dann noch mal die Jungen. Die sind grau gefärbt und gut von den Alttieren zu unterscheiden. Manche hängen an der Mutter, andere klettern vorwitzig herum.

Jetzt darf Selina Hemmer zum Nachzählen auf die Leiter. Währenddessen schaufelt Bachmann den bröseligen, trockenen Fledermauskot in zwei Müllsäcke. Als Dünger für den Garten. Rund zehn Kilogramm sammeln sich übers Jahr hier an, schätzt er. Bei der großen Zahl an Tieren vergleichsweise wenig. „Das ist ja voll schwer“, ruft Selina Hemmer von oben. Schließlich klettert sie herunter. „Wie viel hast du gezählt?“, fragt Bachmann. „Ich hab aufgegeben“, gesteht sie. Der Experte lacht gutmütig.

Fliegende Säuger werden bis zu 20 Jahre alt

644 Fledermäuse – davon 239 Jungtiere – lautet sein Ergebnis. Das sind rund 20 mehr als vergangenes Jahr. Die Alttiere in den Wochenstuben sind ausschließlich Weibchen, die Männchen leben einzeln, zum Beispiel im Wald. Seit Beginn der Zählungen 1990 ist bei der Gesamtzahl der Fledermäuse im Landkreis ein leichter Rückgang zu beobachten. Zwar können die Tiere rund 20 Jahre alt werden, aber die Sterblichkeit unter den Jungen ist hoch: Kalte Winter, mangelndes Nahrungsangebot, Gefahren durch Autos, Pilzkrankheiten oder Fressfeinde wie Katzen und Greifvögel zählen zu den Ursachen. Manchmal ist auch ein Marder schuld. An einem anderen Standort tötete der Räuber einmal 30 bis 40 Tiere, erzählt der Fachmann. Die Übriggebliebenen „sind dann komplett verängstigt und verschwinden“.

Bei der größten Kolonie im Landkreis sieht es momentan zum Glück rosig aus. „Wir haben jedes Jahr eine Steigerung“, freut sich Bachmann. „Das kann auch am guten Zustand des Waldes hier liegen“, vermutet er. Denn die findigen Insektenfresser mögen besonders Laufkäfer und haben eine spezielle Jagdtechnik entwickelt: Sie lassen sich auf den Boden fallen und laufen den Raschelgeräuschen der Käfer hinterher. Ein besonders wohlschmeckendes Käferangebot auf der Speisekarte kann da schon ein triftiger Grund für einen Umzug sein.

Andrea Walke

Dicht an dicht hängen die Fledermäuse kopfüber unter dem Dachfirst. (Foto: Andrea Walke)
Dicht an dicht hängen die Fledermäuse kopfüber unter dem Dachfirst. (Foto: Andrea Walke)
Dicht an dicht hängen die Fledermäuse kopfüber unter dem Dachfirst. (Foto: Andrea Walke)
Den Fledermauskot will Markus Bachmann später als Dünger verwenden. (Foto: Andrea Walke)
Den Fledermauskot will Markus Bachmann später als Dünger verwenden. (Foto: Andrea Walke)
Den Fledermauskot will Markus Bachmann später als Dünger verwenden. (Foto: Andrea Walke)

Andrea Walke
Andrea Walke
... ist Redakteurin in der Lokalredaktion Ansbach und seit Dezember 2012 bei der FLZ. Sie fühlt sich in Rathäusern genauso wohl wie in Gerichtssälen und trifft am liebsten Menschen, die eine interessante Geschichte zu erzählen haben. Seit 2017 betreut sie redaktionell die Aktion "FLZ-Leser helfen".
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