Die Innenminister der EU-Staaten beraten heute bei einem Sondertreffen in Brüssel (15.30 Uhr) über die wieder zunehmenden Probleme mit illegaler Migration. Ziel ist es vor allem, den Streit über die Aufnahme von Bootsflüchtlingen zu entschärfen, die von den Rettungsschiffen von Hilfsorganisationen im Mittelmeer aufgenommen und dann in Richtung EU gebracht werden. Italien hatte zuletzt einem solchen Schiff die Einfahrt in einen Hafen verweigert, worauf dieses nach Frankreich fahren musste.
Die Regierung in Paris war darüber empört und verwies darauf, dass Rettungsschiffe eigentlich ein Recht darauf hätten, in den nächstgelegenen Hafen zu fahren. Italien kritisiert hingegen mangelnde Solidarität anderer EU-Staaten bei der Aufnahme von Flüchtlingen und fordert mehr Unterstützung. Zudem wird den Besatzungen von Rettungsschiffen vorgeworfen, mit ihrem Einsatz im Mittelmeer das Geschäft von Schleuserbanden zu fördern. Diese brachten zuletzt vor allem Menschen aus Tunesien, Ägypten und Bangladesch auf den lebensgefährlichen Weg in Richtung EU.
Grundlage der Gespräche der Innenminister soll ein Aktionsplan sein, den die EU-Kommission am vergangenen Montag vorgelegt hat. Er sieht insbesondere vor, die Zusammenarbeit mit Herkunfts- und Durchreiseländer zu intensivieren und in Nordafrika ein neues Programm gegen Menschenschmuggel zu starten. Für den Einsatz von privaten Seenotrettungsschiffen, die immer wieder Hunderte Migranten in europäische Häfen bringen, könnte es einen speziellen Rahmen und Richtlinien der Internationalen Seeschifffahrts-Organisation geben.
Zudem soll der freiwillig von rund 20 EU-Staaten unterstützte Solidaritätsmechanismus besser genutzt werden. Er wurde im Juni ins Leben gerufen, um Länder zu unterstützen, in denen viele Bootsflüchtlinge ankommen. Diplomaten kritisierten vor dem Ministertreffen, dass der Aktionsplan nicht viel mehr als eine Zusammenstellung alter Maßnahmen und Vorschläge sei. Weitreichende Beschlüsse seien nicht zu erwarten.
Nach Angaben des Innenministeriums in Rom kamen in Italien seit Anfang des Jahres bereits mehr als 94.000 Migranten an. Im Vergleich zum Vorjahreszeitraum stieg die Zahl damit um etwa 53 Prozent. Die zuständige EU-Kommissarin Ylva Johansson beschrieb die Situation am Montag als nicht haltbar und verwies dabei auch darauf, dass nur die wenigsten ankommenden Menschen wegen politischer Verfolgung ihre Heimat verlassen.
„Wir müssen bedenken, dass eine deutliche Mehrheit der Menschen, die heute über diese zentrale Mittelmeerroute ankommen, keinen internationalen Schutz braucht“, sagte Johansson. Viele von den Menschen wollten in der EU vor allem Geld verdienen.
Das UN-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) rief die Innenminister dazu auf, „Sicherheit und Solidarität in den Mittelpunkt ihres Handelns im Mittelmeerraum und auf allen anderen Migrationsrouten zu stellen“. Während Staaten mit dem Finger aufeinander zeigten und Schuldzuweisungen machten, gingen Leben verloren - in diesem Jahr bereits fast 2000, kritisierte UNHCR-Chef Filippo Grandi.
Nötig seien mehr staatliche und besser koordinierte Such- und Rettungsbemühungen, berechenbare Ausschiffungen an sicheren Orten sowie ein beschleunigtes Verfahren, um diejenigen zu identifizieren, die internationalen Schutz benötigen. Das Flüchtlingshilfswerk werde die Staaten dabei unterstützen, humane Lösungen im Einklang mit dem Völkerrecht zu finden, um weitere unnötige Todesfälle auf See zu verhindern, erklärte Grandi.
Für Deutschland wird Staatssekretär Bernd Krösser zu dem Treffen in Brüssel erwartet. Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) sagte am Donnerstag im Bundestag, Deutschland habe derzeit keine „keine große Migrationskrise“.
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