Heute wird im Bundestag über eine Änderung des Bundeswahlgesetzes abgestimmt. Es geht unter anderem um einen Neuzuschnitt der Wahlkreise in Sachsen-Anhalt und Bayern.
In diesem Zusammenhang hatte Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) den Koalitionsfraktionen SPD, Grüne und FDP Wahlrechtsmanipulation zugunsten von Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) vorgeworfen.
Mit der Wahlrechtsänderung solle unter anderem erreicht werden, dass der bayerische Wahlkreis Augsburg-Stadt „nicht zu viele CSU-Wähler hat“ und Claudia Roth „bei der nächsten Bundestagswahl in Augsburg-Stadt ihren Wahlkreis behalten kann“, sagte Merz am Montag in Berlin.
Irreführendes Argument.
Entzündet hat sich die Debatte an der geplanten Umverteilung eines Wahlkreises von Sachsen-Anhalt nach Bayern. In Bayern soll nach den Vorschlägen der Ampel-Fraktionen von SPD, Grünen und FDP aus Teilen der bisherigen Wahlkreise Augsburg-Land, Neu-Ulm und Ostallgäu ein zusätzlicher Wahlkreis gebildet werden. Nach dem Bundeswahlgesetz müssen immer Wahlkreise umstrukturiert werden, wenn sich der Bevölkerungsanteil massiv ändert.
Die Union beklagt nun, dass sich aus der verringerten Größe des Wahlkreises Augsburg-Land (herausgelöst werden soll die Stadt Königsbrunn) ein Vorteil für Grünen-Politikerin Roth ergeben und sie „ihren Wahlkreis behalten“ könne.
Es stimmt zwar, dass Roth auch die Belange ihres Heimat-Wahlkreises im Bundestag vertritt. Doch gewonnen hat sie das Direktmandat bei der jüngsten Bundestagswahl 2021 dort nicht. Dieses holte seinerzeit der CSU-Abgeordnete Volker Ullrich mit 28,1 Prozent der Erststimmen. Nur er also kann den „Wahlkreis behalten“. Roth erhielt 20,6 Prozent.
Die heutige Kulturstaatsministerin zog über die Landesliste ihrer Partei in den Bundestag ein. Politiker auf dieser Liste kommen über die Zweitstimme ins Parlament - je weiter oben man steht, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit dafür. Roth stand auf Listenplatz eins.
Mit Blick auf Königsbrunn stimmt es zwar, dass Ullrich bei der Bundestagswahl im Vergleich zu Roth besonders gut abschnitt: Der Abstand zwischen beiden betrug in der Stadt knapp 22,7 Prozentpunkte, im ganzen Wahlkreis nur 7,5 Punkte. Doch von den insgesamt im Wahlkreis abgegebenen Stimmen landeten nur rund zehn Prozent in einer Königsbrunner Urne. Das heißt: In einem theoretischen Szenario, in dem in Augsburg-Stadt schon 2021 ohne Königsbrunn gewählt worden wäre, hätte Ullrich trotzdem mit Abstand die meisten Erststimmen für sich gewonnen.
Mit dem von der Ampel geplanten Zuschnitt in Bayern soll ein neuer Wahlkreis Memmingen entstehen. Einem dort erfolgreichen Direktkandidaten wird nach aktueller Rechtssprechung das Bundestagsmandat aber nur zugeteilt, wenn dies durch das Ergebnis der Zweitstimme gedeckt wäre.
Merz warf der Ampel-Koalition zudem vor, sie habe es nicht für notwendig befunden, über die Änderung mit der bayerischen Staatsregierung Einvernehmen zu erzielen. „Im Gegenteil: Sie entscheidet mal wieder allein, mal wieder ohne jede Beratung auch mit dem betroffenen Bundesland.“ Die Unionsfraktion plädiert stattdessen dafür, den weiteren Wahlkreis in der Landeshauptstadt München mit ihrer wachsenden Bevölkerung zu bilden.
© dpa-infocom, dpa:240201-99-831612/3