Selbst radikalisierte Einzeltäter stellen nach Einschätzung des früheren Verfassungsschutzpräsidenten Thomas Haldenwang aktuell eine größere Gefahr dar als islamistische Terrorzellen. „Solche Menschen, bei denen der Tatplan oft sehr kurzfristig entsteht und wo Messer oder Fahrzeuge als Waffe benutzt werden, sind leider sehr schwer zu erkennen“, sagte Haldenwang der Deutschen Presse-Agentur. „Die verbindende Klammer bei zahlreichen dieser Täter ist gescheiterte Integration“, fügte er mit Blick auf die jüngsten tödlichen Gewalttaten in Mannheim, Solingen, Magdeburg, Aschaffenburg und München hinzu.
Die nächste Bundesregierung müsse nicht nur für Wirtschaftswachstum, sondern auch für mehr Sicherheit sorgen und einer Gefährdung der Demokratie entgegenwirken, riet der frühere Verfassungsschützer, der als CDU-Direktkandidat bei der Bundestagswahl im nordrhein-westfälischen Wuppertal antritt. Da Integration immer auch eine Kapazitätsfrage sei, müsse der Zuzug irregulärer Migranten begrenzt werden.
„Außerdem müssen wir uns diejenigen anschauen, die schon im Land sind“, sagte Haldenwang, der ab Herbst 2018 sechs Jahre lang Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz war. Aus seiner Sicht ist es dabei wichtig, auf Menschen zu achten, die in prekären Verhältnissen leben oder bei denen der Aufenthaltsstatus über einen längeren Zeitraum nicht geklärt ist.
Ein Schwachpunkt seien Defizite in der Zusammenarbeit der verschiedenen Behörden, sagte der frühere Behördenleiter. „Dabei spielt der Zustand der Digitalisierung in unserem Land, wo teilweise noch Faxe verschickt werden, eine Rolle.“
Ein weiteres Problem seien überzogene Datenschutz-Vorgaben, die ein effektives Verwaltungshandeln - gerade bei den Sicherheitsbehörden - behinderten. Polizei und Verfassungsschutz bräuchten mehr Befugnisse, eine bessere Ausstattung und ausreichend Personal. Wer als „Gefährder“ identifiziert und ausreisepflichtig sei, müsse in Gewahrsam genommen werden - „und wir müssen bereit sein, dafür auch Geld in die Hand zu nehmen“.
Auf die Frage, weshalb die Zahl der teilweise islamistisch motivierten Anschläge in Deutschland zuletzt wieder zugenommen hat, antwortete Haldenwang, die Ereignisse im Gazastreifen hätten einige Menschen emotionalisiert. Auch Koran-Verbrennungen, wie es sie in Dänemark und Schweden gab, seien mögliche „Trigger-Ereignisse“. Daneben bestehe die Gefahr von „Nachahmungstätern“, die dann ebenfalls zum Messer griffen oder ein Auto als Tatwaffe missbrauchten.
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