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Veröffentlicht am 10.06.2022 04:17

Hilfe, meine Freundinnen haben jetzt Kinder

Seit die Freundin Mutter ist, fühlt sich ihre kinderlose Vertraute wie das fünfte Rad am (Kinder-)Wagen. (Foto: Silvia Marks/dpa-tmn)
Seit die Freundin Mutter ist, fühlt sich ihre kinderlose Vertraute wie das fünfte Rad am (Kinder-)Wagen. (Foto: Silvia Marks/dpa-tmn)
Seit die Freundin Mutter ist, fühlt sich ihre kinderlose Vertraute wie das fünfte Rad am (Kinder-)Wagen. (Foto: Silvia Marks/dpa-tmn)

Wenn sich unser Leben ändert, wandeln sich auch Freundschaften. Schon mit dem Start ins Berufsleben und ersten ernsten Beziehungen bekommen Freunde oft nicht mehr die volle Aufmerksamkeit. Doch besonders drastisch wird die Veränderung, wenn Kinder dazukommen.

Vorbei sind stundenlange Telefonate, die Nächte, in denen man zusammen um die Häuser gezogen ist und spontane Treffen zu zweit. Was jetzt für Eltern zählt, ist, dass es dem kleinen Menschen gut geht.

Felicitas Heyne ist Psychologin und Buchautorin aus Heidelberg. Sie weiß, dass es für eine kinderlose Frau schwer vorstellbar ist, wie dramatisch dieser „Erdrutsch“ ist. „Ein neugeborenes Kind lässt keinen Lebensbereich unberührt. Es findet nicht nur eine Interessens- und Energieverschiebung statt, sondern auch ein Paradigmenwechsel.

Als frischgebackene Mutter sei man plötzlich rund um die Uhr fixiert auf ein anderes kleines Menschlein, so Heyne. Da bleibe nicht einmal Zeit für sich selbst. Wie also für eine Freundin oder einen Freund?

Dass das so ist, stoße vor allem dem kinderlosen Part auf, sagt Horst Heidbrink. Er beschäftigte sich als Psychologe viele Jahrzehnte lang mit dem Thema Freundschaft und meint: „Die frischgebackenen Eltern verlieren Freundschaften ein Stück weit aus den Augen, weil sie so mit dem Kind beschäftigt sind.“ Den Kinderlosen fehlt dann die emotionale Nähe, die sie aus der Freundschaft gewohnt waren.

Aber: „Es ist normal, dass sich das Leben ändert, dass sich andere Schwerpunkte ergeben, dass die enge Freundschaft endet“, sagt Wolfgang Krüger, Diplom-Psychologe und Buchautor aus Berlin. Würde man hier mit Unmut reagieren, sei das eher belastend. „Wir müssen akzeptieren, dass wir als Freunde mitunter an die zweite Stelle rücken und dass sich im Leben nicht alles um uns dreht.“

Handelt es sich um eine enge Freundschaft, müsse man sich manchmal in die Lage des anderen hineinversetzen, rät Felicitas Heyne. Und immerhin gebe es Möglichkeiten, vor allem enge Freundschaften weiterzupflegen. Nur vielleicht zeitlich nicht mehr ganz so intensiv. Eltern sei es jedoch anzuraten, vor allem enge Freunde oder Freundinnen mit einzubeziehen. Dann fühlten diese sich nicht mehr außen vor oder unnütz.

Wolfgang Krüger rät frischgebackenen Eltern zudem, mit dem eigenen Partner Vereinbarungen zu treffen, damit man sich „mindestens alle 14 Tage einmal zurückziehen kann“, um beispielsweise in Ruhe zu telefonieren oder sich mit anderen Menschen zu treffen. Ansonsten gelte: „Man muss die Beziehung mit Freunden an die neuen Gegebenheiten anpassen und beispielsweise die Freundin zu sich einladen, damit sie an dem Familienleben teilhat.“

Gut sei es laut Felicitas Heyne auch, Verständnis für die Situation der kinderlosen Freundin oder des kinderlosen Freundes zu signalisieren. Dafür könne man Sätze wählen wie: „Ich kann mir vorstellen, dass das für dich gerade alles nicht so prickelnd ist, aber er oder sie wird größer und es wird auch wieder anders.“ Oder: „Ich kann mich dir gerade nicht so zuwenden, wie ich gern würde. Aber schließ bitte nicht daraus, dass du mir nicht wichtig bist.“

Und wie verhält sich die kinderlose Freundin am besten, ohne die Freundschaft zu gefährden - oder der jungen Mutter Stress zu bereiten?

Kindliches Beharren auf eine Freundschaft, die es gab, bevor sich das Leben komplett verändert hat, ist jedenfalls falsch, da sind sich die befragten Psychologen sicher. Horst Heidbrink findet es sinnvoll, mal daran zu erinnern, was man früher alles miteinander gemacht hat. Und nachzufragen, ob es dafür nicht irgendeine Möglichkeit gibt. Niemand könne aber erwarten, dass die Eltern ihr Kind hintenanstellen. „Darauf muss ich Rücksicht nehmen!“

Zu verlangen, dass sich die Freundin oder der Freund die gleiche Zeit für die Freundschaft nimmt wie früher, könne auch nach hinten losgehen, sagt Felicitas Heyne. „Gute Freundschaften zeichnet aus, dass es ein Verständnis für solche Situationen gibt.“ Man könne aber schon sagen, was man vermisse und seine Bedürfnisse formulieren, so Heyne. „Ich würde mir wünschen, dass,...“ sei ein Satz, den man immer sagen dürfe.

Und auch das Angebot mal auf das Kind aufpassen zu können, sei anzuraten, sagt Wolfgang Krüger. „Dann hat man ein gemeinsames Thema.“ Damit die Freundschaft trotz großer Veränderungen überlebt, sei aber auch eine große Anpassungsbereitschaft notwendig. „Und die kinderlose Freundin muss wissen, wie anstrengend und kräftezehrend gelegentlich das Leben der Freundin ist.“

Eines der Zauberworte für den Psychologen Krüger: Interesse. „An den Kindern, an Erziehungsproblemen, generell am Leben des anderen.“ Dann werde man als kinderlose Freundin oder als kinderloser Freund vielleicht zum Lebensbegleiter.

© dpa-infocom, dpa:220609-99-605253/2

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