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Veröffentlicht am 11.01.2024 05:05

Israels Armee: Weiten Einsatz über und unter der Erde aus

Israelische Soldaten zeigen Journalisten einen Tunnel unterhalb von Chan Junis. (Foto: Ohad Zwigenberg/AP)
Israelische Soldaten zeigen Journalisten einen Tunnel unterhalb von Chan Junis. (Foto: Ohad Zwigenberg/AP)
Israelische Soldaten zeigen Journalisten einen Tunnel unterhalb von Chan Junis. (Foto: Ohad Zwigenberg/AP)

Die israelische Armee weitet ihre Einsätze in Chan Junis im Süden des Gazastreifens nach eigenen Angaben über und unter der Erde aus. Bisher seien allein im Bereich von Chan Junis mehr als 300 Tunneleingänge und mehr als 100 Tunnel zerstört worden, teilte das Militär mit. Dabei habe man auch Terroristen getötet.

In einem offensichtlich mit großem finanziellen Aufwand gebauten Tunnel unter Chan Junis seien zuvor israelische Geiseln festgehalten worden, hieß es in der Mitteilung ohne weitere Angaben.

Unterhalb des Gazastreifens erstreckt sich über viele Kilometer ein ganzes Netzwerk aus Tunneln. Um Israels Bomben widerstehen zu können, reichen manche Dutzende Meter tief. Die Terroristen nutzen die Tunnel zugleich, um wie aus dem Nichts aufzutauchen und Soldaten anzugreifen.

Brigadegeneral Dan Goldfus sagte nach Angaben der „Times of Israel“, die Armee habe ihre Strategie inzwischen angepasst. Während man anfangs nur die Eingänge zu den Tunneln aufgespürt und zerstört habe, schicke man jetzt Soldaten hinein. Der Kern der Hamas befinde sich im Untergrund. „Dort werden wir sie besiegen.“

Die Führung der islamistischen Hamas um Jihia al-Sinwar wird im Tunnelnetzwerk im Bereich von Chan Junis vermutet. Israelische Medien hatten zuletzt berichtet, Israel wisse zwar, wo Al-Sinwar sich versteckt halte. Man habe bisher aber nicht angegriffen, weil der Hamas-Chef sich mit Geiseln umgeben habe, die ihm als menschliche Schutzschilde dienten. Die Angaben lassen sich nicht unabhängig überprüfen. Ein Armeesprecher wollte sich nicht zu den Berichten äußern.

Verfahren vor Internationalem Gerichtshof hat begonnen

In Den Haag muss sich Israel indessen wegen des Vorwurfs des Genozids verantworten. Vor dem Internationalen Gerichtshof begann die Anhörung zur Völkermord-Klage Südafrikas gegen den jüdischen Staat. Israel hatte die Anklage zuvor zurückgewiesen. „Israel kämpft gegen Hamas-Terroristen, nicht die palästinensische Bevölkerung, und wir tun dies in voller Übereinstimmung mit dem internationalen Recht“, sagte Ministerpräsident Benjamin Netanjahu am am Vorabend des Verfahrensauftakts in Den Haag.

Die Richter müssen zunächst über einen Eilantrag Südafrikas befinden, in dem die sofortige Einstellung des israelischen Militäreinsatzes gefordert wird. Das Verfahren könnte Auswirkungen auf den weiteren Kriegsverlauf haben.

Südafrika will mit seiner Klage vor dem höchsten UN-Gericht nachweisen, dass Israel die Absicht hat, die Palästinenser zu vernichten und damit gegen die UN-Völkermordkonvention verstößt. Nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde sind infolge der israelischen Militäreinsätze seit Kriegsbeginn schon 23.357 Menschen getötet worden. Die Angaben lassen sich derzeit nicht unabhängig überprüfen.

Israel dagegen bekräftigt sein Recht auf Selbstverteidigung nach den blutigen Angriffen der Hamas und anderer Extremisten am 7. Oktober 2023. Dabei waren rund 1200 Menschen getötet und etwa 250 aus Israel entführt worden, von denen bislang etwa die Hälfte freigelassen wurde.

UN-Sicherheitsrat fordert Ende der Huthi-Angriffe

Der UN-Sicherheitsrat hat derweil per Resolution ein Ende der Angriffe der vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen im Jemen auf Handelsschiffe im Roten Meer gefordert. Das am Mittwoch in New York verabschiedete Papier verurteilt die Angriffe und fordert ihre „sofortige Einstellung“.

Seit Ausbruch des Gaza-Krieges greifen die Huthis immer wieder Schiffe mit angeblich israelischer Verbindung an. Auch feuern die jemenitischen Rebellen immer wieder Raketen direkt auf Israel ab. Resolutionen des Sicherheitsrats sind völkerrechtlich bindend und können so eine internationale Wirkmacht entfalten.

Katar dementiert Berichte über Vorschlag für Geisel-Deal

Katar wies indessen israelische Medienberichte über einen angeblich neuen Vorschlag zur Freilassung weiterer Geiseln aus der Gewalt der Hamas im Gazastreifen zurück. „Berichte, nach denen Katar die Ausweisung von Hamas-Anführern im Gegenzug für eine Waffenruhe vorgeschlagen hat, sind falsch“, sagte ein katarischer Regierungsvertreter der Deutsche Presse-Agentur. „Solch eine Vereinbarung wurde seit Kriegsbeginn zu keinem Zeitpunkt und mit keiner Partei diskutiert.“

Israels Kriegskabinett hatte sich am Mittwochabend zu einer Beratung über die Bemühungen zur Freilassung weiterer Geiseln aus der Gewalt der islamististischen Hamas versammelt. Israelische Medien berichteten, Katar habe einen neuen Vorschlag für einen Deal vorgelegt. Demnach sollten alle Geiseln im Gegenzug für einen vollständigen Abzug der israelischen Armee aus Gaza freigelassen werden. Die Führung der islamistischen Hamas solle im Rahmen der Vereinbarung ins Exil gehen.

Der Regierungsvertreter in Katar bezeichnete die Berichte als „Verbreitung falscher Informationen“, die den „sensiblen, laufenden Gesprächen möglicherweise schaden“ könnten. Katar stehe weiterhin im Dialog mit regionalen und internationalen Partnern, um in dem Konflikt zu vermitteln.

Minister: Geiselfreilassung wichtigste Angelegenheit

Der israelische Minister im Kriegskabinett, Benny Gantz, sagte am Mittwoch: „Die dringendste Angelegenheit ist die Rückführung der Geiseln, sie ist wichtiger als alle Elemente des Kampfes.“ Der israelische Armeesprecher Daniel Hagari sagte derweil am Abend, Truppen hätten in Chan Junis im südlichen Gaza einen Tunnel gefunden, in dem zuvor Geiseln von der Hamas festgehalten worden seien. Die Geiseln hätten sich dort „unter sehr schwierigen Umständen“ unter der Erde aufgehalten. Hagari nannte keine weiteren Einzelheiten.

Humanitäre Lage bleibt katastrophal

Die humanitäre Lage für die zivile Bevölkerung des Gazastreifens ist weiter katastrophal. Nach Angaben des palästinensischen Roten Halbmonds wurden vier Sanitäter in einem Rettungswagen bei einem israelischen Angriff getötet. Sie seien getroffen worden, während sie in Dair al-Balah im Zentrum Gazas Verletzte transportierten. Israels Armee wollte den Bericht prüfen. Israel wirft der Hamas immer wieder vor, Kliniken und Krankenwagen für Terrorzwecke zu missbrauchen. Die Hamas weist dies zurück.

Bericht: Hisbollah schießt auf Israels Häuser

Seit Beginn des Gaza-Kriegs kommt es auch an Israels Nordgrenze zum Libanon fast täglich zu gewaltsamen Konfrontationen zwischen der Armee und der Hisbollah. Die mit der Hamas verbündete und ebenfalls vom Iran unterstützte Schiiten-Miliz feuert immer wieder auf Israel. Sie setzt dabei nach einem Bericht der israelischen Zeitung „Haaretz“ auch ungewöhnlich viele Panzerabwehrraketen gegen Wohnhäuser ein. Mit den Präzisionswaffen könne sie den Druck aufrechterhalten, ohne jedoch den ganz großen Krieg mit Israel zu riskieren, hieß es. Die israelische Armee wollte den Bericht auf Anfrage nicht kommentieren.

Appell zu Waffenruhe von Abgeordneten aus 28 Ländern

Knapp 400 Abgeordnete aus 28 Ländern haben einen Aufruf zu einer sofortigen Waffenruhe im Gaza-Krieg gestartet. Dahinter stehen die ehemalige Linken-Politikerin Sevim Dagdelen und die US-Demokratin Ilhan Omar. In Deutschland unterzeichneten auch die SPD-Politiker Ralf Stegner und Nina Scheer, international unter anderen der ehemalige britische Labour-Chef Jeremy Corbyn sowie Parlamentarierinnen und Parlamentarier aus den USA und vielen EU-Staaten sowie weiteren Ländern von Kanada bis Ghana, von Chile bis zur Türkei.

In dem Appell heißt es: „Wir schließen uns zusammen, um eine sofortige, multilaterale Waffenruhe in Israel und Palästina, die Freilassung aller verbleibenden israelischen und internationalen Geiseln und die Erleichterung der Einfuhr von humanitärer Hilfe nach Gaza zu fordern. Darüber hinaus rufen wir unsere jeweiligen Regierungen und die internationale Gemeinschaft dazu auf, das Völkerrecht einzuhalten und schwere Menschenrechtsverletzungen zur Rechenschaft zu ziehen.“

© dpa-infocom, dpa:240111-99-564258/8


Von dpa
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