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Veröffentlicht am 25.06.2025 04:04, aktualisiert am 25.06.2025 14:52

Jeden Tag werden mehr als acht Polizisten in Bayern verletzt

Bei Polizeieinsätzen geht es schnell mal hoch her – wie 2022 bei Protesten gegen Corona-Maßnahmen in Schweinfurt – Polizisten geraten dabei auch selbst in Gefahr. (Archivbild) (Foto: Daniel Vogl/dpa)
Bei Polizeieinsätzen geht es schnell mal hoch her – wie 2022 bei Protesten gegen Corona-Maßnahmen in Schweinfurt – Polizisten geraten dabei auch selbst in Gefahr. (Archivbild) (Foto: Daniel Vogl/dpa)
Bei Polizeieinsätzen geht es schnell mal hoch her – wie 2022 bei Protesten gegen Corona-Maßnahmen in Schweinfurt – Polizisten geraten dabei auch selbst in Gefahr. (Archivbild) (Foto: Daniel Vogl/dpa)

Pro Tag werden in Bayern rechnerisch mehr als acht Polizistinnen und Polizisten im Dienst verletzt. In Summe wurden 2024 fast 3.000 Polizistinnen und Polizisten im Einsatz durch Angriffe Schaden zugefügt. Das ist der zweithöchste Wert seit Beginn der statistischen Erfassung im Jahr 2010 und geht aus dem aktuellen Lagebild zur Gewalt gegen Polizisten hervor. 14 Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte mussten demnach 2024 sogar wegen schwerer Verletzungen stationär im Krankenhaus behandelt werden.

„Respektlosigkeit gegenüber unserem Rechtsstaat“

„Diese Übergriffe zeigen eine alarmierende Respektlosigkeit gegenüber unserem Rechtsstaat und sind in keiner Weise akzeptabel“, sagte Innenminister Joachim Herrmann. Justizminister Georg Eisenreich (beide CSU) sagte zudem, dass jeder Täter zugleich auch den Rechtsstaat angreife und „schnell und konsequent bestraft“ werde. „Das Strafgesetzbuch sieht bei tätlichen Angriffen auf Einsatzkräfte Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren vor.“

Doch in der Statistik gibt es auch positive Entwicklungen: So sank die Gesamtzahl aller Delikte auf 7.384 (2023: 7.913) und erreichte damit das niedrigste Niveau seit 2017 (7.334). Die weiterhin hohen Zahl verletzter Einsatzkräfte bereite aber Sorge, sagten die Minister.

Fast 5.000 Fälle mit körperlicher Gewalt und viele Beleidigungen

In 4.692 Fällen wurden die Polizistinnen und Polizisten Opfer körperlicher Gewalt (2023: 4.826). Diese umfassen unter anderem Raub, Körperverletzung, Widerstand sowie tätliche Angriffe auf Vollstreckungsbeamte. Zudem registrierte die Polizei 2.216 Beleidigungen (2023: 2.555) und 371 Bedrohungen (2023: 393). 

Fünf Angriffe werteten die Ermittler als versuchte Tötungsdelikte. In neun Fällen führten Täter scharfe Schusswaffen mit sich (2023: 13), in einem Fall wurde diese sogar gegen die Einsatzkräfte eingesetzt. Insgesamt 5.971 Tatverdächtige erfasste die Polizei, der niedrigste Stand seit 2015 (5.721). 

Die hohe Gewaltbereitschaft geht demnach laut Statistik von deutlich weniger Tätern als früher aus. Rund 84 Prozent dieser Tatverdächtigen waren männlich. Knapp 62 Prozent der Tatverdächtigen standen während der Tat unter Alkohol- und/oder Drogeneinfluss. 

Problem: Sinkende Hemmschwellen und mehr Gewaltbereitschaft 

Seit Jahren beklagen Polizeibeamte auch in Bayern eine steigende Gewaltbereitschaft gegen ihre Person und eine sinkende Hemmschwelle in der Bevölkerung, die auch vor Attacken gegen Einsatzkräfte nicht mehr zurückschreckt. 

„Es ist erfreulich, dass unsere Kolleginnen und Kollegen weniger oft angegriffen wurden. Angesichts der nach wie vor hohen Zahlen ist die grassierende Respektlosigkeit gegenüber dem Staat aber natürlich nach wie vor besorgniserregend“, sagte der Landesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei, Florian Leitner. 

GdP: Polizisten zeigen nicht alle Angriffe an

Bei den erfassten Fällen spiele auch die „Anzeigenbereitschaft der Kolleginnen und Kollegen“ eine entscheidende Rolle, sagte Leitner. „Wir wissen alle, dass man sich zweimal überlegt eine Anzeige zu schreiben, weil zum einen der Arbeitsanfall enorm ist, und zum anderen nahezu immer mit einer Gegenanzeige gerechnet werden muss.“ 

Diese schaffe immer Probleme und könne davor abschrecken, „in berechtigten Fällen eine Anzeige vorzulegen“. Gefühlt blieben die Einsatzkräfte eine „wandelnde Zielscheibe” und müssten sich immer mehr mit einer neuen Intensität der Übergriffe auseinandersetzen. 

Mit 3.050 Verletzten erreichte die Bilanz 2023 ihren bisherigen Höchstwert. Dies ist kein bayerisches Phänomen – sowohl in anderen Bundesländern als auch im Ausland zeichnen sich schon lange ähnliche Entwicklungen ab. Für Aufsehen sorgte etwa im vergangenen Jahr der Fall eines getöteten Polizisten durch eine Messerattacke in Mannheim.

In Bayern und auch anderswo versucht die Politik, Polizistinnen und Polizisten durch eine rigorose Verfolgung und Verurteilung der Täter besser zu schützen – die neusten Zahlen belegen aber, dass es bisher noch keine nennenswerte Trendumkehr gibt. 

„Wir haben in den vergangenen Jahren bereits zahlreiche Maßnahmen zum Schutz unserer Polizistinnen und Polizisten erfolgreich umgesetzt. Und wir handeln weiterhin entschlossen, prüfen laufend neue Maßnahmen und setzen auf konsequente Umsetzung bestehender Schutzinstrumente“, sagte Herrmann. Auch die Grünen im Landtag forderten eine Null-Toleranz-Linie für Angriffe auf Einsatzkräfte. Die Zahl der Angriffe sei nach wie vor viel zu hoch.

Ruf nach gesellschaftlicher Rückendeckung für Einsatzkräfte

Neben intensiver und fundierter Aus- und Fortbildung gehörten ballistische Schutzausstattung, Einsatzstöcke, Dienstwaffen und Body-Cams zur umfangreichen (Schutz)-Ausrüstung der Polizei. „Auch die Entwicklung und Beschaffung neuer und optimierter Ausrüstung haben wir im Blick“, sagte Herrmann. 

Fakt sei aber auch, dass es auch gesellschaftliche Rückendeckung brauche. „Respekt vor der Polizei muss wieder zur Selbstverständlichkeit werden.“ Zudem gebe viele Betreuungsleistungen für betroffene Einsatzkräfte.

© dpa-infocom, dpa:250625-930-713674/3


Von dpa
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