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Veröffentlicht am 19.09.2024 13:30, aktualisiert am 19.09.2024 14:40

Jeder dritte Polizist erlebt Rassismus von Kollegen

Die umfassende Studie über den Alltag bei der Polizei war 2021 vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegeben worden und wurde in diesem Jahr abgeschlossen. (Symbolfoto)  (Foto: Soeren Stache/dpa)
Die umfassende Studie über den Alltag bei der Polizei war 2021 vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegeben worden und wurde in diesem Jahr abgeschlossen. (Symbolfoto) (Foto: Soeren Stache/dpa)
Die umfassende Studie über den Alltag bei der Polizei war 2021 vom Bundesinnenministerium in Auftrag gegeben worden und wurde in diesem Jahr abgeschlossen. (Symbolfoto) (Foto: Soeren Stache/dpa)

Etwa jeder dritte Polizeibeamte hat im Dienst binnen eines Jahres rassistische Äußerungen von Kollegen wahrgenommen. Das geht aus dem Abschlussbericht einer von der Bundesregierung beauftragten großangelegten Studie zum Alltag und zu den Einstellungen bei der Polizei hervor. Bei zwei zeitlich versetzten Online-Befragungen gaben einmal 67 Prozent der Teilnehmenden an, solche Äußerungen im zurückliegenden Jahr nie gehört zu haben. Bei der zweiten Befragung waren es 68 Prozent. Die Wissenschaftler hatten die Polizeibeamten aus Bund und Ländern nach ihren Beobachtungen sowohl zum Umgang von Kollegen mit Bürgern als auch mit anderen Polizisten und Polizistinnen gefragt.

Sexistische Äußerungen sind relativ häufig 

Sexistische Äußerungen im Jahr vor der Befragung fielen laut Studie etwas mehr als 40 Prozent der teilnehmenden Polizistinnen und Polizisten auf. Zehn Prozent von ihnen gaben an, dies sei binnen eines Jahres in mehr als zehn Fällen vorgekommen. Drei Prozent der Befragten berichteten, sie hätten im zurückliegenden Jahr korruptes Verhalten von Kollegen beobachtet. Aus dem Ergebnis der Online-Befragung lässt sich die Zahl der Vorfälle nicht direkt ableiten, da das Fehlverhalten eines Beamten womöglich von mehreren seiner Kollegen beobachtet wird. 

Die Befragten, denen rassistische Äußerungen, Sexismus oder korruptes Verhalten aufgefallen war, unternahmen dagegen persönlich meist nichts, heißt es in der Studie. Sexuelle Übergriffe wurden von den Befragten mit etwa zehn Prozent am häufigsten angezeigt. Die Autoren der Studie weisen allerdings darauf hin, dass eine individuelle Reaktion nicht bedeutet, dass das Delikt nicht angezeigt worden ist, da die Anzeige auch durch Dritte erfolgen könne. Auch war lediglich nach dem eigenen Verhalten bei der letztmaligen Beobachtung eines solchen Vorfalls gefragt worden. 

Muslimfeindlichkeit hat zugenommen

Die Deutsche Hochschule der Polizei fragte für die Studie auch nach der Einstellung der Beamten in Bezug auf Minderheiten und Autoritarismus. Im Abschlussbericht heißt es dazu: „Man findet wenige Hinweise auf radikale Positionen, aber einige Eindrücke, die auf Verunsicherungen und uneindeutige Positionen schließen lassen.“ Auch zeigen die Studienergebnisse, dass problematische Einstellungen zugenommen haben: Beispielsweise stellten die Forscherinnen und Forscher bei der ersten Erhebung zwischen November 2021 und Oktober 2022 bei elf Prozent der Befragten Muslimfeindlichkeit fest. Bei der zweiten Befragung, die zwischen November 2023 und März 2024 lief, waren es 17 Prozent. Ein Anstieg war auch zu beobachten bei Chauvinismus und Autoritarismus. Die Ablehnung von Asylsuchenden stieg demnach von 30 Prozent auf 42 Prozent. 

„Es gibt null Toleranz gegenüber Rechtsextremismus, Rassismus und anderen Formen von Menschenfeindlichkeit“, kommentierte Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) die Ergebnisse der Studie, die ihr Amtsvorgänger Horst Seehofer (CSU) in Auftrag gegeben hatte. Sie fügte hinzu: „Wir wollen eine transparente Fehlerkultur stärken und der Entstehung und Verfestigung von Vorurteilen und Diskriminierungen konsequent entgegentreten.“ 

Die Ministerin betonte gleichzeitig, Polizeibeamtinnen und Polizeibeamte seien Tag und Nacht unter schwierigen, manchmal lebensgefährlichen Bedingungen im Einsatz. Sie verteidigten Rechtsstaat und Demokratie und verdienten dafür Respekt und Wertschätzung.

Zu viel Bürokratie wird als Belastung empfunden

Als motivierend in ihrem Berufsalltag erleben deutsche Polizisten laut der Studie Erlebnisse, die mit Kollegialität, Erfolgen und erfahrener Wertschätzung für die eigene Arbeit zu tun haben. Belastende Faktoren sind demnach schwierige Fälle wie Todesermittlungen oder Straftaten gegen Kinder. Aber auch empfundener Personalmangel, viel Bürokratie und „Vergeblichkeitserfahren“, etwa mit Blick auf Ergebnisse von Strafverfahren, sind laut dem Bericht häufig Anlass für Frustration.

„Deutlich wird, dass der Personalmangel in der Polizei keine gewerkschaftliche Erfindung ist, sondern diesen unsere Kolleginnen und Kollegen jeden Tag an ihren vielfältigen Arbeitsplätzen hautnah erleben“, sagte der Bundesvorsitzende der Gewerkschaft der Polizei (GdP), Jochen Kopelke. Mangelnde Personalressourcen führten zu steigenden Belastungen und erhöhten Krankenständen. „Wie dringend eine Stärkung der gesamten Rechtsstaatskette ist, zeigen teils ernüchternde Sichtweisen auf die Wirksamkeit der eigenen Arbeit.“ Verfahrenseinstellungen aus Personalnot senkten die Motivation der Beschäftigten. „Das muss ein baldiges Ende haben“, forderte Kopelke. 

Er vermisse außerdem einen ganzheitlichen, wissenschaftlichen Ansatz, was das zunehmende Risiko von Polizeibeschäftigten, Opfer aggressiver Angriffe zu werden, betrifft, kritisierte der Gewerkschaftsvorsitzende. Konsequente und harte Strafen allein seien hier nicht ausreichend. 

© dpa-infocom, dpa:240919-930-237153/2


Von dpa
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