Nach dem Scheitern des Berliner Volksentscheids für ehrgeizigere Klimaziele wollen die Initiatoren der Abstimmung und andere Klimaschützer nicht klein beigeben. „Es ist schade für alle Menschen in Berlin. Wir machen natürlich weiter, wir kämpfen weiter“, sagte Jessamine Davis, Sprecherin des Bündnisses „Klimaneustart“.
Man wolle Berliner Klimapolitik weiterhin „kritisch-konstruktiv“ begleiten, kündigte Stefan Zimmer an, ein weiterer Sprecher des Bündnisses. „Wir werden der Politik auf die Finger schauen und dabei wie bisher verschiedenste Akteure zusammenbringen, um sicherzustellen, dass die Klimawende in Berlin sozial gerecht ausgestaltet wird.“
Beim Volksentscheid am Sonntag hatte laut Wahlleitung zwar eine knappe Mehrheit dafür gestimmt, dass sich Berlin gesetzlich verpflichtet, bis 2030 statt wie bisher geplant bis 2045 klimaneutral zu werden. Damit wurde jedoch nur eine Voraussetzung für einen erfolgreichen Volksentscheid erfüllt.
Die zweite Voraussetzung, eine Zustimmungsquote (Quorum) von mindestens 25 Prozent aller Wahlberechtigten, wurde verfehlt. Das wären etwa 608.000 Ja-Stimmen gewesen, am Ende fehlten also rund 165.000 Stimmen. Am Volksentscheid beteiligten sich 35,8 Prozent der rund 2,4 Millionen Wahlberechtigten.
Nach Einschätzung der Initiatoren zeigt das Ergebnis des Volksentscheids, dass viele Menschen in Berlin finden, dass die Politik beim Klimaschutz nicht schnell genug handelt. Immerhin hätten 442.210 Menschen mit Ja gestimmt und damit mehr, als die CDU Zweitstimmen bei ihrem Wahlsieg am 12. Februar bekommen habe (428.228). Zwar sei der Volksentscheid am Quorum gescheitert. Er zeige aber: „Berlin will mehr Klimaschutz.“ Das habe dank der Kampagne zum Volksentscheid auch die Politik erkannt.
Auch Klimaaktivistin Luisa Neubauer zeigte sich optimistisch. „Wir lassen uns nicht aufhalten von den Kritikern und Nörglern. Lasst uns nicht vergessen, was wir hier möglich gemacht haben“, sagte sie am Sonntagabend bei der Wahlparty von „Klimaneustart“. Das Ergebnis sei keine Niederlage für die Klimabewegung, sondern eine Niederlage für alle Menschen in Berlin. „Das ist erstmal eine richtige Zäsur für alle, die auf Lebensgrundlagen angewiesen sind“, sagte Neubauer.
Dennoch müsse diskutiert werden, weshalb zahlreiche Menschen auch gegen den Volksentscheid stimmten. „Wir müssen nicht drum rum reden, ich finde es auch hart, sich zu überlegen, was passiert mit den Menschen, die heute mit Nein gestimmt haben. Wir kämpfen auch weiter für die Menschen, die heute mit Nein gestimmt haben.“
Berlins Regierende Bürgermeister Franziska Giffey (SPD) betonte nach dem Scheitern des Volksentscheids, der Kampf gegen den Klimawandel sei eine „unserer zentralen politischen Aufgaben“. Die CDU, die mit der SPD momentan Koalitionsverhandlungen führt, sieht das ähnlich.
„Berlin sagt Ja zum Klimaschutz - aber Nein zu falschen Versprechen“, sagte Generalsekretär Stefan Evers. Wichtig sei nun entschlossenes Handeln, um Klimaziele schnellstmöglich zu erreichen. Die Vereinigung der Unternehmensverbände Berlin-Brandenburg erklärte, eine „Klimapolitik mit der Brechstange“ habe keine demokratische Mehrheit gefunden.
Die Grünen-Landesvorsitzenden Susanne Mertens und Philmon Ghirmai erklären: „Die Mehrheit hat sich für mehr Klimaschutz ausgesprochen, aber das Ergebnis zeigt auch, dass die nötige Veränderung polarisiert und Ängste auslöst.“ Das ändere aber nichts an der Dringlichkeit des Anliegens.
Klimaneutralität bedeutet, dass keine Treibhausgase emittiert werden, die über jene hinausgehen, die zum Beispiel durch die Natur aufgenommen werden. Dafür müssten die klimaschädlichen Emissionen etwa von Verbrennerautos, Flugzeugen, Heizungen, Kraftwerken oder Industriebetrieben um etwa 95 Prozent im Vergleich zu 1990 gesenkt werden. Deutschland will bis 2045 klimaneutral werden. Die EU will bis 2050 soweit sein.
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