Es tut sich was am oberen Ende des SUV-Segments. Während die etablierten Luxus-Marken bei der Elektrifizierung ihrer ganz großen Geländewagen noch zögern, lockt der amerikanische Newcomer Lucid mit dem Gravity all jene Kunden, denen leistungsstarke Autos wie der Hyundai Ioniq 9, der Kia EV9 oder der Volvo EX90 immer noch nicht stark genug sind.
Als zweites Modell nach der Limousine Air kommt der Siebensitzer im Herbst aus den USA nach Europa und wird wohl bei rund 130.000 Euro starten. Später soll der Anfangspreis mit einem abgespeckten Einstiegsmodell auf knapp unter 100.000 Euro sinken.
Dafür gibt es ein SUV von 5,03 Metern Länge, das sich die protzigen Proportionen der Konkurrenz genauso verkneift wie die sonst oft üblichen Plastikplanken.
Damit würde das SUV zwar auch als Van durchgehen, sieht aber frisch und freundlich aus - und ist obendrein viel windschnittiger als die meisten anderen Geländewagen. Auch deshalb nennt Lucid eine Reichweite, die in der europäischen Norm bei mehr als 700 Kilometern liegen soll.
Innen lockt der Gravity mit modernem Luxus, umgarnt den Fahrer mit einer eleganten Bildschirmlandschaft und neuen Perspektiven durch eine Frontscheibe, die bis weit über den Scheitel gezogen ist.
Die Passagiere haben reichlich Platz auf allen Sitzen. Zwar gibt es statt „Captain Chairs“ für die zweite Reihe erst mal nur eine Dreierbank. Doch auch dort genießt man eine üppige Beinfreiheit, und wenn schon keine Massage oder Lüftung, dann zumindest eine Sitzheizung. Und bei gut drei Metern Radstand reichen selbst die Sitze sechs und sieben ganz hinten auch für Erwachsene.
Weil es Lucid ernst meint mit der Idee vom Reisewagen, gibts zudem ausreichend Platz fürs Gepäck: An die 3.200 Liter fasst der Kofferraum maximal und im Frunk unter der Bughaube vorn gibt es auch noch mal gut 200 Liter.
Neben dem Platzangebot ist es vor allem die Performance, die den Gravity ausmacht - und seinem Namen, zu Deutsch: Schwerkraft, einen ironischen Beiklang gibt.
Denn das knapp drei Tonnen schwere SUV beschleunigt mit seinen zwei Motoren von insgesamt 609 kW/828 PS und mehr als 1.200 Nm, als gebe es überhaupt keine Schwerkraft - und stellt damit die Muskeln des Fahrers und den Magen der Passagiere mitunter auf eine schwere Probe.
Die Werte lesen sich wie die eines Sportwagens: Von 0 auf 100 km/h gelingt der Spurt in 3,6 Sekunden, und mit 270 km/h Spitzentempo ist das E-Modell selbst schneller als die meisten Verbrenner in dieser Klasse.
Auch im Stand hängt der Gravity die Konkurrenz ab: Weil sein 123 kWh großer Akku mit einer Spannung von 926 Volt läuft, lädt er bestenfalls mit bislang unerreichten 400 kW. Das bringt Strom für 400 Kilometer in weniger als 15 Minuten.
In Zaum gehalten werden diese gewaltigen Kräfte von einer soliden Bremsanlage mit hohem Rekuperationsanteil, einer Luftfederung mit rasend schneller Adaption und einer Lenkung, die Dank der aktiven Hinterachse den Wendekreis erstaunlich schrumpfen lässt. Wenn sie jetzt nur noch ein rundes statt eines eckigen Lenkrads eingebaut hätten...
Aber sobald man sich daran gewöhnt hat, lässt man die Autobahn gerne links liegen, wechselt auf die Landstraße und schneidet dort selbst um enge Kurven, bis die Mundwinkel den Ohrläppchen einen Besuch abstatten und die Mitfahrer auf den Rückbänken um Gnade winseln.
Er ist kräftiger als die bislang noch wenigen Konkurrenten, fährt flotter und lädt schneller - seine Ausnahmetechnik macht den Lucid Gravity zu einer attraktiven Alternative in der Oberklasse.
Doch als Newcomer bleibt er ein Außenseiter, der sich angesichts seiner stolzen Preise schwertun wird. Während die Konstrukteure einen tollen Job gemacht haben, müssen die Kaufleute wohl noch einmal ran.
Datenblatt: Lucid Gravity Grand Touring
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