Frankreichs Präsident Emmanuel Macron hat nach den tagelangen Unruhen im Land nach dem Tod eines Jugendlichen bei einer Polizeikontrolle „grundlegende Antworten“ versprochen. Bei einem Treffen mit 241 Bürgermeistern der von den Ausschreitungen besonders betroffenen Städte sagte Macron am Dienstag, es gehe nicht darum, seit Jahrzehnten praktizierte Dinge zu wiederholen, berichtete der Sender BFMTV. Nötig sei vielmehr eine „Antwort auf der Höhe dessen, was wir erlebt haben“. Bei dem Treffen wollte Macron neben moralischer Unterstützung auch Hilfe bei der Reparatur beschädigter Rathäuser und anderer öffentlicher Einrichtungen anbieten.
Der Höhepunkt der Ausschreitungen sei überschritten, sagte Macron, obwohl in den kommenden Tagen und Wochen weiterhin Vorsicht geboten sei. „Es ist die dauerhafte Ordnung, die wir als oberste Priorität angehen müssen.“ Bei erneuten Unruhen in der Nacht zu Dienstag wurden 72 Menschen festgenommen. Polizisten wurden nicht verletzt, teilte das Innenministerium mit. Die seit einer Woche andauernden Unruhen ebbten damit weiter ab. Größere Zwischenfälle wurden nicht gemeldet.
Bei den Unruhen sind landesweit inzwischen rund 5900 Autos in Brand gesteckt worden, wie der Sender BFMTV am Dienstag unter Verweis auf das Innenministerium berichtete. An 1100 Gebäuden kam es zu Bränden oder Sachbeschädigungen. Zudem wurden rund 270 Polizeiwachen angegriffen.
Seit dem Tod des 17-jährigen Nahel durch eine Polizeikugel bei einer Verkehrskontrolle am Dienstag vergangener Woche wurde Frankreich von schweren Krawallen erschüttert. Wiederholt kam es zu Plünderungen, Brandanschlägen und gewaltsamen Konfrontationen zwischen Polizisten und Randalierern. Gegen den Beamten, der den Schuss auf den Jugendlichen abgab, wird wegen Totschlagverdachts ermittelt.
In dem von der Polizei gestoppten Wagen hatten sich drei Jugendliche befunden. Die Zeitung „Le Parisien“ veröffentlichte am Montagabend Schilderungen des Hergangs aus der Sicht eines 14-Jährigen, der auf der Rückbank saß, und die dessen Vater schriftlich der Zeitung übermittelte. Nahel traf den Jungen demnach zufällig morgens und bot ihm an, ihn mit dem Auto zu einer Schulprüfung zu fahren. Einer ersten Aufforderung der Polizei zum Anhalten habe der 17-Jährige keine Folge geleistet, berichtete der Junge.
Als der Verkehr stockte, hätten die Polizisten das Auto eingeholt und ihre Waffen auf den 17-Jährigen gerichtet. Einer habe dabei gedroht, ihm in den Kopf zu schießen. In Panik sei Nahel möglicherweise mit dem Fuß von der Bremse des Automatik-Wagens gerutscht, so dass dieser sich in Bewegung setzte. Der eine Beamte habe den anderen zum Schießen aufgefordert. „Der ist verrückt, der hat geschossen“, habe Nahel noch gesagt, ehe er leblos zusammengesackt und der Wagen in eine Absperrung gefahren sei.
© dpa-infocom, dpa:230703-99-274779/8