Magpies: Australiens überraschende Angreifer aus der Luft | FLZ.de | Stage

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Veröffentlicht am 09.10.2025 07:01

Magpies: Australiens überraschende Angreifer aus der Luft

Radfahrer Shane Miller testet einen „PieProof“-Helm gegen Magpie-Angriffe. (Foto: Shane Miller/GPLama/dpa)
Radfahrer Shane Miller testet einen „PieProof“-Helm gegen Magpie-Angriffe. (Foto: Shane Miller/GPLama/dpa)
Radfahrer Shane Miller testet einen „PieProof“-Helm gegen Magpie-Angriffe. (Foto: Shane Miller/GPLama/dpa)

Als der Australier Rhys Newell neulich mit dem Fahrrad unterwegs war, bemerkte er plötzlich einen Vogel. Schnell holte der von hinten auf, drehte eine Kurve und schnappte nach seinem Gesicht – Treffer. Als sich Rhys ins Gesicht fasste, bemerkte er eine blutende Wunde.

Was Rhys widerfahren ist, nennt man in Australien „swoopen“ - und die Gefahr durch die angreifenden Vögel ist jetzt im australischen Frühling so groß, dass Menschen selbst in den Städten wie Sydney allerhand Schutzmaßnahmen ergreifen. Radfahrer kleben Augensticker auf ihren Helm, andere montieren Kabelbinder oder Metallstäbe, die abstehen und so Angriffe verhindern sollen.

Die Übeltäter sind Magpies – Vögel, die an Krähen erinnern, aber ein teilweise weißes Gefieder haben. Nur männliche Magpies swoopen, und davon auch nur ein kleiner Teil, erklärt Darryl Jones, Verhaltensökologe und Professor an der Griffith University. „Sie machen das, wenn sich Nachwuchs im Nest befindet. Denn die Aufgabe der Männchen ist es, das Nest zu beschützen.“

Verletzte Menschen und abgesagte Veranstaltungen

Australische Medien berichten von Verletzungen durch Krallen oder Schnäbel. Teilweise wurden Veranstaltungen wegen swoopender Magpies abgesagt. Mit „Magpiealert“ gibt es eine eigene Website, auf der Betroffene melden, wann und wo sie attackiert wurden, damit andere die Gegend meiden können. Hunderte Fußgänger und Radfahrer tragen dort täglich Vorfälle ein.

Ein Gerücht besagt, eine falsche Bewegung sei genug, um von den Vögeln zum Feind erklärt zu werden. Magpies - oder zu Deutsch: Flötenkrähenstare - sollen sich sogar Gesichter merken können und gezielt wieder dieselben Personen angreifen.

Angst vor den Vögeln wird zum Geschäftsmodell

Das Bedürfnis nach Schutz hat sich mittlerweile zu einem Geschäftsmodell entwickelt. So werden etwa spezielle „PieProof“ Fahrradhelme verkauft, die vor allem Ohren und Gesicht schützen – und in der Swooping-Zeit besonders gefragt sind.

Laut Darryl Jones ist das Einzige, was zuverlässig hilft, jedoch nicht zu flüchten, sondern vom Rad abzusteigen. Denn es scheint vor allem die Geschwindigkeit zu sein, wegen der die Vögel Radfahrer für eine Bedrohung halten. Er selbst habe dies schon mit Erfolg ausprobiert.

Auch Vögel in Deutschland swoopen

Magpies werden aufgrund des Swoopens oft als besonders aggressive Vögel wahrgenommen. Doch auch in Deutschland kann es zur Brutzeit zu Angriffen kommen. Mäusebussarde oder Krähen nehmen Spaziergänger und Radfahrer ins Visier, wenn die sich ihrem Nest nähern. Solche Fälle sind jedoch seltener und meist harmloser.

Gisela Kaplan, emeritierte Professorin für Tierverhalten an der University of New England, betont: „Die Vögel sind jederzeit bereit, das Swoopen einzustellen, wenn sie erkennen, dass man keine Gefahr darstellt.“ Außerdem stehe das Männchen unter großem Druck, das Nest während dieser kritischen Zeit zu verteidigen. Denn wenn es seinen Job nicht gut macht, riskiert es, vom Weibchen verlassen zu werden.

Es stimme, dass Magpies sich Gesichter über viele Jahre hinweg merken, was für Bewohner aber auch ein Vorteil sein könne. „Außerhalb der vier Wochen, in denen sie swoopen, sind es unauffällige Vögel, die manchmal auch Freundschaften mit Menschen schließen, die in ihrem Gebiet leben. Einige Elternvögel stellen ihren Nachwuchs vertrauten Menschen sogar vor“, erklärt die Expertin.

Auch Freundschaften sind möglich

Genau diese Erfahrung hat Baz Collis gemacht, der etwa 70 Kilometer entfernt von Perth wohnt. Die dort ansässige Magpie-Art lebt in größeren Familien, erzählt der Rentner, der die Magpie-Population in seiner Gegend seit Jahren dokumentiert.

Viele der insgesamt 16 Magpies in seinem Gebiet besuchen täglich seine Terrasse – und sein Haus. Dort bekommen sie einen kleinen Snack in Form von speziellem Magpie-Futter, das Baz extra besorgt. Einen besonderen Magpie hat er Mr. Sox getauft. Dieser fliegt auch gerne mal durch die Terrassentür, setzt sich auf einen Stuhl und verweilt dort bis zu 30 Minuten.

„Er ist der Einzige, der auf mein Knie hüpft und darauf besteht, aus der Hand gefüttert zu werden“, sagt Baz. Dabei verhält sich der Magpie so vertraut, dass er während des Interviews anfängt, in den Telefonhörer zu zwitschern. Für Baz sind die Magpies inzwischen wie eine Familie.

Menschen reagieren mit Mischung aus Respekt und Humor

Trotz aller Geschichten von blutigen Begegnungen, Kabelbindern am Helm und Swooping-Karten begegnen viele Australier der Swooping-Saison mit einer Mischung aus Pragmatismus, Respekt und Humor.

Auch Rhys Newell nimmt es gelassen. Der Vorfall auf dem Rad? Nicht seine erste Begegnung mit einem Magpie – und vermutlich auch nicht die letzte. „So was passiert selten. Ich bin danach noch eine Stunde weitergeradelt“, sagt er. „Die Wunde sieht schlimmer aus als sie ist – zu Hause hatte ich es schon wieder vergessen.“

© dpa-infocom, dpa:251009-930-139964/1


Von dpa
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