Mehr als 700 Behandlungsfehler hat es im vorigen Jahr laut dem Medizinischen Dienst in Bayern gegeben. Von 2.199 überprüften Fällen habe sich in rund jedem dritten Fall (33,7 Prozent) eine fehlerhafte Behandlung bestätigt, teilte der Begutachtungsdienst für die gesetzliche Kranken- und Pflegeversicherung mit. Das umfasst Fälle von Behandlungsfehlern, die bei den Patienten zu Schäden geführt haben, aber auch solche, die keine weiteren gesundheitlichen Folgen für die Patienten hatten.
In 28,3 Prozent der Fälle erlitten die betroffenen Patientinnen und Patienten durch den Behandlungsfehler einen Schaden. Einen kausalen Zusammenhang zwischen der Behandlung und einem Schaden konnte der Medizinische Dienst in 542 Fällen (24,6 Prozent) feststellen. In den übrigen Fällen ließ sich ein kausaler Zusammenhang nicht nachweisen oder dies blieb unklar.
„Eine nachhaltige Verbesserung ist nicht erkennbar“, teilte Christine Adolph, stellvertretende Vorstandsvorsitzende und leitende Ärztin beim Medizinischen Dienst Bayern, zu den Zahlen mit. Im Jahr zuvor war in 571 überprüften Fällen der Behandlungsfehler Ursache für einen Schaden.
Die Zahlen sind nicht repräsentativ. Fachleute gehen davon aus, dass nur ein Bruchteil aller Behandlungsfehler tatsächlich gemeldet wird und es eine hohe Dunkelziffer gibt. Viele Versicherte vermuteten zwar einen Behandlungsfehler, meldeten diesen aber nicht etwa aus Unwissenheit oder Angst vor Auseinandersetzungen.
Wer vermutet, falsch behandelt worden zu sein, kann sich an seine Krankenkasse wenden. Diese entscheidet, ob der Medizinische Dienst ein Gutachten zu dem Vorwurf erstellt. Dies ist für Versicherte kostenfrei. Nur mit einem Gutachten haben Patientinnen und Patienten den Angaben nach gegebenenfalls auch Anspruch auf Schadenersatz.
Die Deutsche Stiftung Patientenschutz bemängelt jedoch, dass Geschädigte bei diesen Verfahren größtenteils außen vor blieben. In der Regel würden sie nicht persönlich angehört, die Entscheidung falle vielmehr nach Aktenlage. „Selbst wenn ein Behandlungsfehler angenommen wird, warten Betroffene oft viele Jahre auf Schadenersatz und Schmerzensgeld“, teilte ein Sprecher mit. Hier brauche es endlich einen seit Jahrzehnten von der Politik versprochenen Härtefallfonds.
Die meisten Behandlungsfehler (33,4 Prozent) stellte der Medizinische Dienst 2024 bei Operationen im stationären Bereich eines Krankenhauses fest. Darauf folgten solche in ambulanten Praxen, Medizinischen Versorgungszentren und in der häuslichen Pflege (22,3 Prozent). Rund 12 Prozent der Behandlungsfehler passierten demnach auf der Normalstation im Krankenhaus.
In 31 Fällen kam es 2024 zudem zu sogenannten Never Events. Darunter versteht der Medizinische Dienst besonders gut vermeidbare, aber oftmals folgenschwere Fehler, wie im Körper eines Patienten vergessenes OP-Material. Auch die Verwechslung eines Patienten, oder eine OP an der falschen Körperseite gehören demnach dazu. Der Medizinische Dienst spricht sich für eine Meldepflicht solcher Fehler aus.
Der Begutachtungsdienst betont, dass es dabei nicht um mehr Druck auf das behandelnde Personal gehen soll, sondern darum, die Prävention zu verbessern. Nicht die Frage, wer etwas getan habe, sondern warum und wie etwas passiert sei, sei für die Prävention von Bedeutung.
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