Man kann Peter Neururer vielleicht einiges vorwerfen. Mangelnde Authentizität sicher nicht. Auch kurz vor seinem 70. Geburtstag am Samstag bleibt er sich treu und kann es einfach nicht lassen. Auch wenn er natürlich das Gegenteil behauptet. „Ich rege mich nicht mehr über Dinge auf, die ich nicht beeinflussen kann“, erzählt Neururer der Deutschen Presse-Agentur.
Klappt ja gut, möchte man ironischerweise meinen. Wenige Sekunden später ist der notorische Sprücheklopfer zumindest gefühlt auf 180. Man muss den langjährigen Bundesliga-Trainer nur auf den FC Schalke 04 ansprechen. „Da ärgere ich mich natürlich“, sagt Neururer.
Zwölf verschiedene Vereine im deutschen Profifußball trainierte der charismatische Harley-fahrende Schnauzbartträger. Zu keinem hat er nach wie vor so eine enge Bindung wie zum abgestürzten Revierriesen, bei dem er immer noch Mitglied ist. Die Geschichte, dass er einst vor 35 Jahren auf Schalke beurlaubt worden war, obwohl er auf einem Bundesliga-Aufstiegsplatz in der 2. Liga stand, gehört zur Fußball-Allgemeinbildung in Deutschland.
„Schalke 04 ist ein wesentlicher Bestandteil meines Lebens“, sagt Neururer und schimpft angesichts der aktuellen Situation der Königsblauen wie ein Rohrspatz. „Da läuft einiges schief. Da sind Leute am Werk, die von Fußball überhaupt keine Ahnung haben“, meint Neururer angesichts der jüngsten Posse um Noch-Coach Kees van Wonderen, der am Saisonende aber gehen muss.
Die Erwartungen an den Niederländer seien viel zu hoch. „Mit dieser Mannschaft kann kein Mensch der Welt aufsteigen. Das ist ein Witz.“ Und überhaupt. „Diese Außendarstellung. So schlimm war es noch nie“, sagt Neururer. „Und ich habe schon einiges miterlebt.“
Und einige mit ihm, was bei all seinen Stationen kein Wunder ist. Die Meinung über ihn ist dabei von Menschen, die ihn hautnah erlebt haben, deutlich positiver als die derjenigen, die ihn nur von außen beurteilen können. Christoph Kramer etwa spielte einst, bevor er 2014 Weltmeister wurde, unter Neururer beim VfL Bochum. Und schloss ihn „wirklich in mein Herz“, sagte Kramer später einmal. „Er ist für jede Mannschaft der Welt der perfekte Feuerwehrmann.“
Doch diese Zeit ist seit Ende 2014 vorbei, seit er beim VfL Bochum beurlaubt worden war. „Ich habe keine Lust mehr“, sagt Neururer selbst. Natürlich gibt es aber Ausnahmen, für Clubs die ihm besonders an Herz gewachsen sind: „Wenn Schalke, der FC Köln oder Bochum in arge Not geraten würden. Aber sonst würde ich es nicht mehr machen.“
Was nicht heißt, dass er auch jenseits der 70 nicht mehr woanders ins Profigeschäft zurückkehren würde. „Als Sportvorstand oder Sportdirektor - sofort. Ich bin fit und traue mir mehr zu als andere mir vielleicht zutrauen.“
Von privaten Plänen, die sich andere 70-Jährige im Ruhestand vielleicht so vornehmen, ist bei Neururer jedenfalls nicht viel zu hören. Demnach bestehe kein Nachholbedarf: „Ich fühle mich wie 45, habe zwei Kinder, die mir auch schon zwei Enkelkinder geschenkt habe. Ich führe ein traumhaftes Eheleben.“
Selbst als Hobby-Biker ist ein Lebenstraum erfüllt: Mit seiner Harley-Davidson cruiste Neururer mit seinen Kumpels inzwischen durch alle 50 US-Bundesstaaten, selbst Alaska. „Das haben wir letztes Jahr geschafft. Da sind wir von Hawaii direkt übergesetzt nach Alaska. Eine irre Geschichte, aber so sind wir halt“, befindet Neururer selbst.
Somit bleibt ihm noch ein Wunsch unerfüllt: „Ich habe diesen Traum, einmal die Schale in der Hand zu halten.“ Dafür müsste es dann aber doch nochmal klappen mit dem Job als Sportvorstand oder Sportdirektor. Und vielleicht nicht gerade beim FC Schalke.
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