Blondes Haar, da denken viele gleich an Marilyn Monroe und Brigitte Bardot, aber auch an Marlene Dietrich, Claudia Schiffer, Helene Fischer und Heino oder an Barbie und Blondinenwitze. Kaum eine Haarfarbe ist kulturell so aufgeladen. Und selbst das Christkind wird mit der Haarfarbe in Zusammenhang gebracht, zumindest beim berühmten Nürnberger Christkindlesmarkt, denn dort tritt es „blond gelockt mit goldener Krone und weiß-goldenem Gewand“ auf. Es scheint an der Zeit, die mythenbehaftete Haarfarbe näher zu untersuchen.
Wie stark und bei wem finden die Deutschen blondes Haar eigentlich gut? Und was sagen Kulturwissenschaftler über die in der Kunstgeschichte und Gesellschaft so legendäre Haarfarbe?
Blond ist in Deutschland nach wie vor die beliebteste Haarfarbe, wenn es ums Färben geht - gefolgt von Brauntönen und Rot. So erfährt man es zumindest beim Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel (IKW). Aus internen Befragungen unter den Mitgliedsfirmen wisse man, dass der Anteil der Frauen, die sich die Haare färben, in den letzten Jahren abgenommen habe und aktuell bei weniger als 50 Prozent liege, sagt die stellvertretende Geschäftsführerin Birgit Huber.
„Interessant ist, dass es bei den Männern einen gegenläufigen Trend gibt. Hier nimmt der Anteil derer, die sich die Haare färben, eher zu“, sagt Huber. Färbende Männer haben demnach mehrheitlich das Gefühl, „ihr Trendbewusstsein über verschiedene Colorationen und Strähnen zeigen zu können“.
Eine repräsentative Umfrage des Meinungsforschungsinstituts YouGov im Auftrag der Deutschen Presse-Agentur ergab, dass eine Mehrheit der Erwachsenen in Deutschland bei Herren dunkles Haar besser findet - bei Frauen dagegen eher helle Haare.
Auf die Frage „Welche Haarfarbe finden Sie bei Männern am ansprechendsten, wenn Sie sich entscheiden müssten?“ antworteten jeweils 17 Prozent mit „Schwarz“ und „Dunkelbraun“. Nur 5 Prozent sagten „Hellblond“. In Bezug auf Frauen war jedoch „Hellblond“ mit 17 Prozent die häufigste Antwort, gefolgt von „Dunkelblond“, „Schwarz“ und „Dunkelbraun“. „Rot“ finden weit mehr Menschen in Deutschland bei Frauen ansprechend (7 Prozent) als bei Männern (1 Prozent).
Der Kulturwissenschaftler Moritz Ege von der Universität Zürich sieht die Welt heute in Sachen Haare und Haarfarben viel offener für Vielfalt als früher. Die sehr homogene Welt, in der etwa Rothaarige regelmäßig gehänselt worden seien, liege schon länger hinter uns.
„Der Umgang mit dem, was als normal gilt, hat sich in den letzten drei, vier Jahrzehnten verändert - von einem rigiden engen Spektrum des Normalismus zu einem flexibleren Umgang damit. Vieles wird nicht mehr per se als unnormal angesehen“, sagt Ege, Professor für Populäre Kulturen und Empirische Kulturwissenschaft. Der Bereich dessen, was ausgeschlossen wird, werde kleiner. Das Internet mit einer „Globalität der Medienräume“ führe zu Demokratisierung und sorge in manchen Bereichen für eine „Ent-Ethnisierung von Schönheitsnormen“.
Doch auch wenn weltweit nur zwei Prozent der Erwachsenen von Natur aus blondes Haar haben, so steche die Haarfarbe historisch heraus, sagt der Romanist Ralf Junkerjürgen von der Universität Regensburg. „Blonde Haare sind unter anderem religiös und mythologisch aufgeladen.“ Blondes Haar stehe für Licht, weshalb es oft göttlichen Figuren zugeordnet worden sei. In Deutschland wurde die Haarfarbe zudem von der Arier-Ideologie der Nazis rassistisch vereinnahmt.
In den USA erregte kürzlich die Soziologin Tressie McMillan Cottom Aufsehen, als sie die These aufstellte, blondierte Haare symbolisierten Überlegenheit und einen hohen sozialen Status. Wer sich blondiere, wolle als Mitglied der dominanten Gruppe gelesen werden, Anschluss bei den Mächtigen finden, so die Autorin. Blond sei mehr als eine Haarfarbe, es sei eine Bezeichnung für einen bestimmten Menschentypus - sprich: für Weiße mit ihren Privilegien.
Junkerjürgen zeigt sich gegenüber diesem Ansatz skeptisch. Die Haarfärbe-Industrie habe zu einer Diversifizierung der Bedeutungen beigetragen, Blondieren sei daher nicht automatisch ein politisches Statement. „Ich finde, man muss kein schlechtes Gewissen haben, wenn man sich die Haare aufhellt.“
Der legendären Sängerin Dolly Parton mit blonder Mähne wird im Übrigen der folgende Ausspruch zugeordnet: „Ich fühl mich nicht beleidigt von all den dummen Blondinenwitzen, weil ich weiß, dass ich nicht dumm bin ... und ich weiß auch, dass ich nicht blond bin.“
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