Der Karneval ist eine Welt für sich. Hier einige zentrale Fachausdrücke und Problemfelder in alphabetischer Reihenfolge:
ALAAF: Ruf der Kölner Karnevalisten. Bedeutet so viel wie „Köln über alles“. Soll erstmals ertönt sein, als Kölner Wutbürger im Mittelalter einen erzbischöflichen Festungsturm stürmten (heute sitzt dort Alice Schwarzers „Emma“-Redaktion). Vorsicht: Der Düsseldorfer Karnevalsruf „Helau“ wird im Kölner Raum sanktioniert.
BÜTT: Tonnenförmiges Pult, an dem mehr oder weniger lustige Reden geschwungen werden. Nicht zu verwechseln mit Bützje - einem unverbindlichen Wangenkuss.
CARNEVAL: Ursprüngliche Schreibweise von „Karneval“. Der Begriff setzt sich wahrscheinlich zusammen aus den beiden lateinischen Wörtern „carnis“ (Fleisch) und „levare“ (wegnehmen) und bezieht sich auf die Fastenzeit, in der man kein Fleisch essen durfte.
DAVIDSTERN: Findet sich unter der Karnevalsmütze der „Kölsche Kippa Köpp“, des ersten jüdischen Karnevalsvereins seit der Nazizeit.
ENTHEMMUNG, BEFRISTETE: Der Karneval stellt die Welt auf den Kopf - aber nur für ein paar Tage. Die Devise lautet: Heute feiern, morgen wieder in der Reihe tanzen.
FASCHING: So wird der Karneval vor allem in Bayern bezeichnet. Für Rheinländer exotischer als Karneval in Rio.
GRASS, GÜNTER: Studierte in der Karnevalshochburg Düsseldorf und schrieb 1968 die Kurzgeschichte „Einer unserer Mitbürger: Prinz Karneval“. Darin geht es um einen Prinzen, der SA-Sturmführer gewesen ist. Angesichts der sehr viel später bekannt gewordenen Mitgliedschaft des Autors in der Waffen-SS nicht ohne Brisanz.
HÖHNER: Karnevalsband, die insbesondere den Kölnern immer wieder versichert, dass es an ihrer Stadt nichts mehr zu verbessern gibt.
INDIANER: Früher der Klassiker, heute nur das Kostüm, dessen Name nicht genannt werden darf. Das „I-Kostüm“ wird zunehmend als ein Fall von bedenklicher kultureller Aneignung begriffen.
JUNGFRAU: Ein Mitglied des Kölner Dreigestirns, das traditionell von einem Mann verkörpert wird - außer während der Nazizeit, da war die Travestie verboten.
KAMELLE: Ursprünglich Karamellbonbons, die aber heute niemand mehr haben will. Das Narrenvolk ruft an Rosenmontag zwar „Kamelle!“, erwartet dafür aber mindestens Schokoladentafeln, Pralinen und Blumensträuße.
LOB DER TORHEIT: Titel eines Buches des Humanisten Erasmus von Rotterdam (1466/69-1536). In der europäischen Geistesgeschichte bildet es die theoretische Grundlage für alle Arten von Spott, Parodie und Satire.
MÖBELHAUS: Fluchtpunkt nicht karnevalisierbarer Gegner des organisierten Frohsinns. Ihr Motto: „Der Trick ist, dass man sich verpisst, bis wieder Aschermittwoch ist.“
NEGER, ERNST: Größter aller Fastnachts-Stars. Lebte von 1909 bis 1989 in Mainz. Eine Theorie besagt, dass sein Lied „Heile heile Gänsje“ den schuldbeladenen Deutschen der Nachkriegszeit unterschwellig die Vergebung ihrer Sünden suggerierte.
ORDEN: Sollten einst höfische und militärische Ehrungen parodieren, wurden dann aber selbst zum Prestigeobjekt. Merke: Der Sitzungskarneval kann eine sehr ernste Sache sein, es gilt die Regel: „Nur nit laache!“ (Nur nicht lachen!) Jedenfalls nicht an der falschen Stelle.
PRINZ KARNEVAL: Ursprünglich gab es keinen Karnevalsprinzen, sondern einen Karnevalskönig. Die preußische Polizei setzte 1824 jedoch durch, dass aus dem König Carneval ein Held Carneval und später ein Prinz wurde. Begründung: In Preußen gibt es nur einen König - und der sitzt in Berlin.
QUERULANTENTUM: Falls man durch Kamelle oder andere Wurfgeschosse beim Rosenmontagszug verletzt wird, hat man sich das selbst zuzuschreiben. Kamelle-Werfen sei in Köln „sozial üblich, allgemein anerkannt und erlaubt“, hat das örtliche Amtsgericht entschieden.
ROSENMONTAG: Höhepunkt des Straßenkarnevals mit Umzügen, die gefühlte 24 Stunden im Fernsehen übertragen werden.
SESSION: Der Karnevalist spricht nicht von der neuen Saison, sondern von der Session.
TUSCH: Zeigt den Teilnehmern einer Karnevalssitzung an, wann gelacht werden muss.
UNIFORM: Achtung! Die Prinzengarde trägt kein Kostüm, sondern Uniform.
VIVA COLONIA: Karnevalshymne, zu der der rheinische Gemütsmensch auf den Tischen tanzt. Sogar in Düsseldorf.
WILDPINKLER: Ihr prominentestes Opfer an Karneval ist der Kölner Dom, wo der ätzende Urin das jahrhundertealte Gestein zersetzt.
X-FACHE WIEDERHOLUNG: Der Karneval zelebriert die Wiederkehr des immer Gleichen. So sang Ernst Hilbich 20 Jahre lang in der Fastnachtsausgabe der ARD-Show „Zum Blauen Bock“ das Lied „Heut ist Karneval in Knieritz an der Knatter“. Man sah ihn als Kind, und wenn man selbst Kinder hatte, sah man ihn immer noch.
Y-CHROMOSOM: Der Karneval ist immer noch stark männerdominiert, früher allerdings war es noch schlimmer. Wenn Carolin Kebekus zu Beginn ihrer Karriere anrief und fragte, ob sie bei einer bestimmten Karnevalssitzung auftreten könne, bekam sie oft zur Antwort: „Der Frauen-Slot ist leider schon besetzt.“
ZOCH: Wer nicht weiß, was der Zoch ist, dürfte zu jener Mehrheit der Bundesbürger zählen, denen Karneval egal ist.
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