Blasmusik, Bier, Brezn und reichlich kernige Sprüche machen den traditionsreichen politischen Frühschoppen beim Gillamoos in Niederbayern aus. Bei zünftiger Stammtisch-Atmosphäre beherrschten die Landtagswahlen in Sachsen und Thüringen, Migrationspolitik und die K-Frage die Reden von Ministerpräsident Markus Söder (CSU), dessen Stellvertreter Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sowie der Politprominenz von Grünen, SPD, AfD und FDP.
Der morgendliche Donner samt Wolkenbruch über dem Gillamoos-Gelände diente den Parteien als Steilvorlage für eine Wahlnachlese: von einem politischen Gewitter war die Rede. Angesichts der Erfolge der AfD - die in Thüringen dem vorläufigen Ergebnis nach 32,8 Prozent der Stimmen und in Sachsen 30,6 Prozent erreichte - forderten Söder und Aiwanger einmal mehr einen politischen Kurswechsel auf Bundesebene. Grünen-Politiker Anton Hofreiter attackierte die AfD als „Landesverräter und Faschisten“. Freude herrschte dagegen bei der AfD. Deren Landesvorsitzende Katrin Ebner-Steiner sprach von einer „Zeitenwende“ und dem „Beginn einer neuen Epoche“.
Söder erneuerte seine Ambitionen auf eine Kanzlerkandidatur für die Union. „Für mich ist Ministerpräsident das schönste Amt. Aber ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen“, sagte er. Freie Wähler-Chef Aiwanger sah in seiner Partei „das Rezept gegen Extremismus von links und rechts“. Deswegen müssten sie nächstes Jahr in die Bundesregierung und die Roten und Grünen wieder raus.
Die Wahlen am Sonntag seien ein politisches Erdbeben, so Söder. „Noch nie war eine Partei, die gesichert rechtsextrem ist, stärkste Kraft.“ Eine der Ursachen sah er in der Ampel: Es komme nicht nur darauf an, eine Regierung zu bilden, damit man eine Regierung hat, sagte Söder. Schlecht arbeitende Koalitionen stärkten auf lange Sicht nur die AfD. Auch deswegen müsse die Ampelregierung abgelöst werden. „Die Ampel hat nicht nur verloren. Die Ampel ist eine rauchende Ruine“, so der CSU-Chef.
„Diese katastrophale, diese grottenschlechte Arbeit der Ampel in Berlin, die wird mehr und mehr zu einem politischen Problem“, sagte Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU). Aiwanger wetterte, die „verfehlte Bundespolitik“ ruiniere Deutschland. An einem Tisch im Bierzelt sei „mehr gesunder Menschenverstand versammelt als in der gesamten Bundesregierung“, sagte er.
Der stellvertretende Fraktionsvorsitzende der Grünen im bayerischen Landtag, Johannes Becher, gab sich ebenfalls kämpferisch: „Wir überlassen kein deutsches Bundesland rechtsradikalen Verfassungsfeinden wie Höcke und Konsorten“, sagte er und betonte: „Die AfD aus dem bayerischen Landtag ist keinen Deut besser“, sie sei „genauso rechtsextrem“ wie der AfD-Politiker Björn Höcke.
Besonders scharf griffen die Redner die aktuelle Migrationspolitik an. Der rheinland-pfälzische Ministerpräsident Alexander Schweitzer forderte für Flüchtlinge mit Bleibeperspektive leichteren Zugang zu Arbeit. „Arbeit ist die beste Integrationsmaschine“, sagte der SPD-Politiker. „Wer zu Hause sitzt oder in der Unterkunft sitzt und nicht rauskommt, der kommt natürlich auf Ideen.“ Und weiter: „Die, die nicht hierbleiben können, ja, da sag’ ich ganz deutlich, die müssen auch schneller wieder zurück.“
Der Gillamoos gilt als eines der ältesten Volksfeste in Bayern und wird seit Jahrhunderten vor den Toren der Stadt Abensberg (Landkreis Kelheim) in Niederbayern um den 1. September herum gefeiert. Er geht auf eine Wallfahrt zur Kapelle St. Gilg am Moos zurück, die zu Ehren des Heiligen Ägidius errichtet und 1313 erstmals urkundlich erwähnt worden war. Seit etwa 1580 wird der Jahrmarkt auf dem heute noch genutzten Festgelände gefeiert.
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