Ein 75-jähriger Klimaaktivist aus Bayern hat bei einem Berufungsverfahren erneut die Manipulation einer Erdölleitung von der Ostsee nach Brandenburg eingeräumt und ein Klimaschutz-Plädoyer gehalten. „Ich steh' zu dem, was wir getan haben“, sagte der Pensionär bei dem Prozess am Landgericht Neubrandenburg.
Etwa eine Stunde lang legte das damalige Mitglied der Klimaschutzgruppe Letzte Generation seine Beweggründe für die Manipulation zweier Pumpstationen in Mecklenburg-Vorpommern im April 2022 zusammen mit einem weiteren inzwischen 70-jährigen Aktivisten aus Bayern dar. Es gehe aus seiner Sicht nicht um Tatvorwürfe wie etwa Sachbeschädigung, sondern um die irreversible Zerstörung der Lebensgrundlage. „Mein Gewissen hat mich getrieben.“
Das Amtsgericht Neubrandenburg hatte die beiden im September 2024 wegen Sachbeschädigung, Hausfriedensbruchs und Störung eines öffentlichen Betriebes beziehungsweise des Versuchs verurteilt. Sie hatten in zwei Fällen Stellräder zugedreht und dafür Zäune auf- und Sicherungsketten durchgeschnitten. In einem der beiden Fälle stoppten sie tatsächlich kurzzeitig den Ölfluss. Die beiden Pumpstationen gehören zur brandenburgischen Raffinerie PCK Schwedt.
Der Jüngere war zu einer siebenmonatigen und der Ältere zu einer dreimonatigen Haftstrafe verurteilte worden - ohne Bewährung, weil sie laut Amtsgericht seinerzeit noch im Gerichtssaal weitere Straftaten im Rahmen ihres Aktivismus angekündigt hatten. Beide hatten Berufung eingelegt. Das Verfahren des Jüngeren wurde eingestellt, weil dieser wegen eines anderen Verfahrens aus Bayern bereits eine Haftstrafe absitzen musste.
In seiner Erklärung beschrieb der Angeklagte unter anderem katastrophale Auswirkungen der Klimaerwärmung auf weite Teile der Weltbevölkerung, verwies auf Gutachten und Klimadaten. Er kritisierte den Kapitalismus und erklärte viele in Deutschland geltende Gesetze für nicht verfassungskonform, sofern sie klimaschädliches Verhalten zuließen.
„Ihre Position wird klar“, sagte die Vorsitzende Richterin nach etwa der Hälfte der Ausführungen. Ihre Unterbrechungen und Aufforderungen, nicht zu sehr abzuschweifen, sorgten beim Angeklagten für Unmut. „Wir werden heute sowieso nicht fertig“, hatte dieser angekündigt.
Der pensionierte Beamte und Maschinenbauingenieur hat nach eigener Aussage lange bei der Deutschen Bahn gearbeitet und sich unter anderem ehrenamtlich um die Integration geflüchteter Kinder gekümmert. Seit 2017 sei er in Vollzeit Klimaaktivist. So habe er etwa an der Besetzung des Hambacher Forsts teilgenommen, um die Räumung für den Kohleabbau zu verzögern oder mit den Aktivisten der Letzten Generation Straßen blockiert. Nach eigenen Angaben hat ihm sein Klimaaktivismus bereits 25 Verfahren beschert, wovon 16 bislang nicht abgeschlossen sind.
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