Jedes Jahr werden in Deutschland bis zu 400 Milliarden Euro vererbt, schätzt das Deutsche Institut für Wirtschaftsforschung (DIW). Die genaue Höhe ist unklar, weil nur ein kleiner Teil der Erbschaften statistisch festgehalten wird, nämlich der, der über den Freibeträgen liegt und versteuert werden muss. Es ist auf jeden Fall viel Geld, das die Erben verwalten, umschichten oder anlegen müssen. Was sollten sie beachten? Welche Anlage ist die Richtige?
Bargeld wird in Deutschland am häufigsten vererbt. Was man dann zunächst mit dem Geldsegen tun sollte: Schulden begleichen. Dazu gehört auch die Steuerschuld, die eventuell durch die Erbschaft anfällt. Ob und wie viel gezahlt werden muss, dafür sind zwei Dinge entscheidend: die Höhe der Erbschaft und der Verwandtschaftsgrad.
„Ehepartner und Lebenspartner bezahlen ab 500.000 Euro Erbschaftssteuer, Kinder ab 400.000 Euro“, sagt Jan Bittler von der DVEV. „Wer gar nicht verwandt war mit dem Erblasser, dem steht nur ein Freibetrag von 20.000 Euro zu.“ Je nach Höhe des Erbes und Verwandtschaftsgrad ist die Besteuerung gestaffelt. Das fängt mit sieben Prozent an und geht auf 50 Prozent hoch. So viel bezahlt man allerdings nur, wenn kein Verwandtschaftsgrad besteht und das Erbe mehr als sechs Millionen Euro beträgt.
Wenn die eventuellen Schulden bezahlt sind, ist es Zeit, sich über verschiedene persönliche Einstellungen und Vorhaben Gedanken zu machen, um die richtige, persönliche Anlageentscheidung zu treffen. „Nicht jede Geldanlage passt zu jedem“, sagt Yann Stoffel von Finanztest. „Die passende Anlage hängt von der persönlichen Risikobereitschaft, den finanziellen Verhältnissen, dem Anlagehorizont und dem Sparziel ab.“
Dennoch gibt es Regeln, die einem beim Finden der passenden Anlagen helfen. „Das Vermögen sollte geeignet über verschiedene Produktklassen gestreut werden“, sagt Ralf Scherfling, Finanzexperte bei der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen. „Man sollte keine Produkte kaufen, die man nicht versteht, nicht von der Entwicklung der Vergangenheit einfach auf die Zukunft schließen, unnötige Risiken genauso vermeiden wie hohe Kosten und vor einer Entscheidung immer verschiedene Angebote miteinander vergleichen.“
Grundsätzlich kann man sagen, je weniger das Geld gebraucht wird, also je länger es angelegt werden kann, desto eher kann in den Aktienmarkt investiert werden. „Wer einen Anlagehorizont von 10 bis 15 Jahren hatte, stand am Ende bisher nie mit Verlusten da“, sagt Yann Stoffel von Finanztest. Neben der Dauer der Anlage sollte man darauf achten, was sie kostet und, sehr wichtig: breit streuen! Das bedeutet, sein Geld in viele verschiedene Wertpapiere zu investieren. Das geht am einfachsten durch den Kauf von Fonds.
Es gibt viele tausend verschiedene Fonds. „Diese kann man anhand ganz unterschiedlicher Kriterien klassifizieren“, sagt Ralf Scherfling von der Verbraucherzentrale. „So gibt es Aktienfonds, Rentenfonds oder gemischte Fonds.“ Einige Fonds investieren die angelegten Gelder weltweit und in alle Branchen. Andere beschränken sich auf bestimmte Regionen. Für die Anlegerinnen und Anleger ist es damit auf jeden Fall einfacher, das Geld breit zu streuen.
Doch gewöhnliche aktive Fonds haben einen großen Nachteil: ihre Kosten. Mit dem Kauf kommt der Ausgabeaufschlag, mit dem Besitz die jährlichen Gebühren, die mehrere Prozente im Jahr betragen können. Mit diesen Gebühren werden die Fondsmanager bezahlt, die sich die Aktien in dem Fonds anschauen, sie bewerten und vielleicht umschichten. Auf diese Art versuchen sie, die Gewinne der Anleger zu maximieren. Leider nicht sehr erfolgreich.
„Wissenschaftliche Untersuchungen und unsere vielen Analysen zeigen, dass Manager keinen Mehrwert bieten und die Kosten durch gutes Management nicht wieder hereinholen“, sagt Yann Stoffel. „Wir empfehlen Anlegern, die bereit sind, sich selbst um ihre Geldanlage zu kümmern, deshalb breit gestreute ETF.“
Ein ETF baut einen bestimmten Index nach. Das kann zum Beispiel der US-amerikanische Dow Jones sein, der deutsche Dax, der europäische EuroStoxx oder der weltweite MSCI World. Der passive Fonds kauft in diesen Fällen automatisiert genau die Aktien in genau den Mengen, wie sie in diesen Indexen gelistet sind. Durch dieses „passive Managen“ spart der ETF die Kosten für einen aktiven Fondsmanager.
Die Auswahl der Aktien kann sich auch ohne aktiven Fondsmanager sehen lassen. In den Indexen werden grundsätzlich die größten und wichtigsten Aktienunternehmen eines Landes, eines Gebiets oder einer Investitionsrichtung abgebildet. Es gibt ETFs, in denen mehr als 4000 Titel aufgeführt sind und die damit einen entsprechend großen Teil der wirtschaftlichen Welt repräsentieren. Ein ETF vereint somit zwei wichtige Zutaten für eine erfolgreiche Geldanlage: breite Streuung und geringe Kosten.
Was bei einem passiven ETF fehlt, ist das Feintuning. Wer zum Beispiel großen Wert auf Nachhaltigkeit setzt, kommt schwerer an einem aktiv gemanagten Fonds vorbei, bei dem sich ein Fondsmanager mit der Thematik beschäftigt und so einen genaueren Blick auf die Unternehmen in seinem Fonds werfen kann.
Für eine breite Streuung sind neben der Aktieninvestition auch Anlagen in andere Produktklassen sinnvoll. „Wer das Geerbte zu einem bestimmten Zeitpunkt benötigt und sich keine Verluste leisten kann, muss entsprechend defensiv anlegen. Das geht am einfachsten mit gutem Tages- oder Festgeld“, sagt Yann Stoffel. Ein Tagesgeldkonto kann grundsätzlich als Ergänzung zum Girokonto gesehen werden. Es ist üblicherweise täglich verfügbar und die Zinsen werden der Marktlage angepasst.
„Ein Tagesgeldkonto eignet sich für die Liquiditätsreserve“, sagt Ralf Scherfling. Einer Faustregel nach sollten das drei Netto-Monatsgehälter sein. „Auch Festgelder oder Sparbriefe können im Einzelfall sinnvoll sein, beispielsweise bei kurzen oder mittelfristigen Laufzeiten.“ Dabei wird das Geld zu festen Zinsen für eine feste Zeit angelegt.
Auch Edelmetalle werden gern als glänzende Ergänzung eines Portfolios gesehen. Gold als Beimischung kann ein Portfolio stabilisieren. Das muss aber nicht sein. „In der Vergangenheit sank meist auch die Rendite leicht, wenn man Gold beigemischt hat“, sagt Yann Stoffel. Wer dennoch Interesse hat: Das investierte Geld sollte nicht mehr als 20 Prozent des Aktienanteils betragen.
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