Im Vergewaltigungs-Prozess gegen den auch im Fall Maddie verdächtigen Christian B. hat die Verteidigung einen Freispruch gefordert. „Es gab nie einen hinreichenden Tatverdacht“, sagte Verteidiger Friedrich Fülscher zu Beginn seines Plädoyers. Ein Freispruch sei der einzig richtige Ausgang des Verfahrens. Die Verteidigung führte dazu unter anderem fehlende Beweise und nicht glaubwürdige Zeugen an. Der Angeklagte äußerte sich nicht.
Dem 47-jährigen Deutschen werden laut Anklage drei Vergewaltigungen sowie zwei Fälle von sexuellem Kindesmissbrauch vorgeworfen, die er zwischen 2000 und 2017 in Portugal begangen haben soll. Das Urteil soll nach mehr als 30 Verhandlungstagen am Dienstag (10.00 Uhr) verkündet werden. Das Landgericht Braunschweig ist zuständig, weil B. in der niedersächsischen Stadt seinen letzten deutschen Wohnsitz hatte.
Der Prozess werde zeigen, dass es hohe Hürden für die Verurteilung von Menschen in Deutschland gebe, prognostizierte Fülscher. Die Verteidigung führte an, dass zwei der drei Vergewaltigungsopfer nie ermittelt wurden. Wichtige Zeugen hätten sich zudem in Lügen und Widersprüche verstrickt. Darunter der Zeuge, der Videos gesehen haben will, auf denen die Vergewaltigungen der beiden nicht identifizierten Frauen zu sehen seien. Den Zeugenaussagen fehle es an Konstanz, etwa zum Ablauf der einzelnen Taten, sagten die Anwälte immer wieder.
Fülscher verwies darauf, dass der Zeuge, der die Videos gesehen haben will, Medien Interviews gegen Bezahlung gab. Und: Medien, die derartige Interview führen, hätten kein Interesse an entlastenden Aussagen. Dem dritten Vergewaltigungsopfer glaubte er nicht, dass sie seinen Mandaten anhand der Augenfarbe als Täter identifizieren kann. Die Vergewaltigungen selbst stellte er explizit nicht in Frage. Es lasse sich aber nicht zweifelsfrei sagen, dass sein Mandant der Täter sei. Auch eine Freiwilligkeit sei nicht ausgeschlossen.
Der Beistand von Christian B. kritisierte zudem, dass die Staatsanwaltschaft nur einseitige Ermittlungsergebnisse präsentiert habe. Fülscher, der sein Plädoyer an einem Stehpult hielt, vermutete zudem, dass es zu keiner Anklage gekommen wäre, wenn es sich bei dem Angeklagten nicht auch um den auch im Fall Maddie Verdächtigen handeln würde.
Die Anwälte warfen der Ermittlungsbehörde zudem grobe handwerkliche Fehler sowie Taschenspielertricks bei der Beweisführung vor. So werfe die Staatanwaltschaft B. vor, zweimal vor Kindern masturbiert zu haben, weil es zwei unterschiedliche Angaben zum Tatort gebe. Überhaupt handelte es sich bei der Tat auf einem Fest in Portugal aus Sicht der Verteidigung um Wildpinkeln statt masturbieren.
Die Staatsanwaltschaft hatte in der vergangenen Woche eine Freiheitsstrafe von 15 Jahren mit anschließender Sicherungsverwahrung für den mehrfach vorbestraften Sexualstraftäter gefordert. Während des Plädoyers der Verteidigung tippten die Staatsanwältinnen auf ihren Handys.
In ihrem Schlussvortrag hatte die Staatsanwaltschaft das Landgericht an mehreren Stellen hart kritisiert. Oberstaatsanwältin Ute Lindemann sprach von einer voreingenommenen Kammer, von der sie teils den Eindruck habe, dass sie keine belastenden Feststellungen treffen will. Verteidiger Friedrich Fülscher konterte, dass es den Ermittlern lediglich um die maximale Beschädigung der Richter gegangen sei. Die Staatsanwältinnen hätten die emotionale Distanz zu dem Verfahren verloren.
Auch die Arbeit des Bundeskriminalamtes kritisierte Fülscher. Die Beamten hätten etwa in Befragungen zwingenden und sich aufdrängende Fragen nicht gestellt und Zeugen suggestiv auf Christian B. als Täter geführt. Das Gericht schloss er von seiner Kritik explizit aus. Stattdessen sprach er der Kammer Respekt für ein bisher faires Verfahren aus.
Internationale Aufmerksamkeit erweckt der Prozess vor allem, weil Christian B. auch im Fall der 2007 aus einer portugiesischen Ferienanlage verschwundenen dreijährigen Madeleine „Maddie“ McCann unter Mordverdacht steht. Der Maddie-Komplex ist aber offiziell nicht Gegenstand des aktuellen Verfahrens. Es gilt die Unschuldsvermutung.
Derzeit verbüßt der 47-Jährige eine siebenjährige Gefängnisstrafe wegen Vergewaltigung einer 72-jährigen US-Amerikanerin, zu der er 2019 vom Landgericht Braunschweig verurteilt worden war. Sie wird wegen angerechneter Untersuchungshaft bereits am 17. September 2025 verbüßt sein, wie die Staatsanwaltschaft Braunschweig mitteilte. Anschließend muss er noch eine Ersatzfreiheitsstrafe bis zum 6. Januar 2026 absitzen, sollte er nicht 1.446 Euro zahlen.
Die Verurteilung wegen der Vergewaltigung der US-Amerikanerin will Verteidiger Fülscher beim Landgericht Göttingen anfechten. Während seines Plädoyers kündigte er einen Wiederaufnahmeantrag an. Fülscher sagte, dass sich im aktuellen Vergewaltigungs-Prozess neue Tatsachen ergeben hätten, die eine Wiederaufnahme des Verfahrens forderten. So habe etwa ein Zeuge Lügen eingeräumt.
Zudem wurde bekannt, dass die zum Auftakt des Vergewaltigungs-Prozesses ausgeschlossene Schöffin inzwischen einen Strafbefehl erhielt. Wie die „Braunschweiger Zeitung“ berichtet, wurde die Frau wegen öffentlicher Aufforderung zu Straftaten in vier Fällen schuldig gesprochen. Sie hatte 2019 auf X wegen der Abholzung des Regenwaldes zur Tötung des damaligen brasilianischen Präsidenten Jair Bolsonaro aufgerufen. Das Urteil ist rechtskräftig.
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