Auch zwei Tage nach dem tödlichen Zusammenstoß von zwei Frachtern auf der Nordsee ist die Unfallursache unklar. Sowohl die deutsche Bundesstelle für Seeunfalluntersuchung (BSU) in Hamburg als auch die Staatsanwaltschaft Hamburg ermitteln.
Für die Ursachenforschung befragte ein Team von deutschen und britischen Ermittlern die Brückenbesatzung des Frachters „Polesie“ in Cuxhaven, wie BSU-Direktor Ulf Kaspera sagte. Die Untersuchung wird zusammen mit den beiden Flaggenstaaten der Frachter Bahamas und Großbritannien geführt.
Außerdem sollten Daten etwa des Schiffsdatenschreibers erhoben und Schäden am Schiff begutachtet werden. Die unter der Flagge Bahamas fahrende „Polesie“ hatte nach dem Unfall aus eigener Kraft Cuxhaven erreicht. Der andere Frachter, die „Verity“, sank infolge des Zusammenstoßes. Rettungskräfte gehen davon aus, dass fünf Seeleute starben - vier von ihnen werden weiterhin vermisst.
Untersuchen wollen die Ermittler auch, warum die „Verity“ nach der Kollision schnell sank und die Schiffsbesatzung wohl kaum Zeit hatte, Rettungsmaßnahmen zu ergreifen. Der NDR berichtete darüber, dass das Schiff, das Stahlbleche transportierte, möglicherweise mit geöffneten Ladeluken unterwegs war. Durch den Zusammenstoß könnte das Schiff dann schnell mit Wasser vollgelaufen sein. „Das ist ein mögliches Szenario“, sagte Kaspera. Ein Lukendeckel sei treibend gefunden worden. Dieser könne aber auch durch den Aufprall abgeflogen sein.
Auch die Bundespolizei See ermittelt im Auftrag der Hamburger Staatsanwaltschaft. Dort wird ein Verfahren wegen fahrlässiger Tötung und Gefährdung des Schiffsverkehrs geführt. Zeitnah sollte der Leichnam eines Seemanns obduziert werden, wie eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft sagte. Angaben zur Identität des Seemannes, der nach dem Zusammenstoß der Frachter von Rettungskräften tot aus der Nordsee geborgen wurde, lagen zunächst nicht vor.
Offen ist auch, wie genau es mit dem Wrack der „Verity“ weitergehen wird. Sonaraufnahmen zeigten nach BSU-Angaben, dass das Schiff im Ganzen und aufrecht auf dem Meeresgrund lag.
An einer sogenannten Bergungsverfügung wurde gearbeitet. Dazu sei das zuständige Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Weser-Jade-Nordsee im Gespräch mit der Reederei der „Verity“, sagte eine Sprecherin der Generaldirektion Wasserstraßen und Schifffahrt in Bonn. Das Schiff der britisch-niederländischen Reederei Faversham Ships war auf dem Weg von Bremen nach Immingham an der englischen Nordseeküste.
Unterdessen liefen an der Unglücksstelle auf der Nordsee rund 22 Kilometer südwestlich von Helgoland Arbeiten, um den Schiffsverkehr abzusichern. „Es ist vorgesehen, den Mast des Wracks zu kürzen, um mehr Wassertiefe zu erreichen“, sagte die Sprecherin der Generaldirektion. Es werde beraten, wie das umgesetzt werden könnte. Das Wrack liegt in rund 30 Metern Tiefe.
Der Zusammenstoß der Frachter ereignete sich in einem der meistbefahrenen Seegebiete weltweit, denn vor der deutschen Küste verlaufen zwei international wichtige Schifffahrtsrouten. Laut der Generaldirektion verkehren in der Deutschen Bucht mehr als 60 000 Schiffe pro Jahr. Gleichzeitig sei es auch eines der sichersten Reviere, hieß es. Die Unfallzahlen seien „ausgesprochen niedrig“.
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