Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hat dem russischen Präsidenten Wladimir Putin vorgeworfen, die durch seinen Angriff auf die Ukraine ausgelöste Hungerkrise dem Westen anlasten zu wollen.
Dieses „Putinsche Narrativ“ müsse unbedingt widerlegt werden, sagte Scholz am Freitag beim Katholikentag in Stuttgart. „Der hat ja eine Formulierung dafür gefunden. Er spricht immer von uns als dem globalen Westen“, sagte Scholz.
Damit meine Putin seine Feinde, gegen die er sich mit allen anderen Ländern verbünden wolle. „Die Hungerkrise, die sein Krieg, den er angezettelt hat, auslöst, versucht er dann gleichzeitig denjenigen, die der Ukraine beistehen, in die Schuhe zu schieben.“ Es sei deshalb wichtig, den Ländern des globalen Südens auf Augenhöhe entgegenzutreten und sie nicht in die Arme Putins zu treiben. Die Ukraine, die als Kornkammer Europas gilt, kann durch den Krieg viel weniger Weizen exportieren. Zudem sind durch die Kampfhandlungen wichtige Lieferketten unterbrochen.
„Wir haben uns entschieden, dem Opfer dieses Angriffskriegs beizuspringen“, sagte Scholz. „Putins Krieg richtet sich gegen eine Friedensordnung, die aus dem Bekenntnis „Nie wieder“ nach zwei verheerenden Weltkriegen entstanden ist. Er will zurück zum Recht des Stärkeren.“
Während des Scholz-Auftritts in der Stuttgarter Liederhalle versuchte ein Aktivist, auf die Bühne zu stürmen. Er wurde daran jedoch von Sicherheitskräften gehindert, überwältigt und weggetragen. Ein anderer Aktivist rief laut „Schwachsinn“, als Scholz gerade über den Ausstieg aus der Kohleverstromung sprach. Scholz kommentierte die Aktion spöttisch mit den Worten, er erlebe das „von immer den gleichen Leuten“, es sei ein „schauspielerisch geübter Auftritt“. Er erntete dafür stürmischen Applaus.
Die radikale Klimaschutzgruppe „Letzte Generation“ erklärte, die Aktion gehe auf sie zurück. Ihr 25-jähriger Pressesprecher habe sich mit Sekundenkleber auf dem Podium ankleben wollen, hieß es in einer Mitteilung. Ein Polizeisprecher sagte, dass nach derzeitigem Stand keine strafrechtlichen Ermittlungen gegen ihn eingeleitet würden.
In einem Gespräch unter anderem mit der Präsidentin des Zentralkomitees der deutschen Katholiken (ZdK), Irme Stetter-Karp, warnte Scholz mit Blick auf die umfassende Vergabe von chinesischen Krediten an ärmere Staaten vor einer weltweiten Wirtschafts- und Finanzkrise. Deutschland stimme sich mit westlichen Gläubigerländern ab, um frühere Fehler nicht zu wiederholen. „Eine der ganz, ganz großen Ambitionen, die wir verfolgen, ist es, China als Land, das auf neue Weise viele Kredite vergibt, da miteinzubeziehen“, sagte Scholz. Andernfalls bestehe die „wirklich ernste Gefahr“, dass die nächste große Schuldenkrise im Anzug sei.
Scholz, der aus der evangelischen Kirche ausgetreten ist und seinen Amtseid im Dezember ohne die Gottesformel „So wahr mir Gott helfe“ abgelegt hatte, wurde beim Katholikentag ein warmer Empfang zuteil. Deutlich zu spüren war die Erleichterung darüber, dass der Regierungschef den Weg nach Stuttgart gefunden hatte. Von der CDU, die früher bei Katholikentagen immer massiv Flagge gezeigt hatte, war kein einziger Vertreter aus der ersten Reihe erschienen. Wie zuvor schon Bundespräsident Franz-Walter Steinmeier dankte auch Scholz den Katholiken für ihr soziales Engagement während der Corona-Pandemie.
Die derzeitige Krise durch steigende Preise könne die Gesellschaft nur gemeinsam bewältigen, sagte Scholz. Die Menschen müssten spüren, dass es auch um sie und ihre konkreten Alltagsprobleme gehe. „Wenn zu viele keine Hoffnung mehr haben, dann geht es schief“, warnte er.
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