„Sideways“-Momente in Schweden: Zur Weinprobe durch Schonen | FLZ.de | Stage

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Veröffentlicht am 18.09.2023 04:47

„Sideways“-Momente in Schweden: Zur Weinprobe durch Schonen

Ein Schlückchen gefällig? Weinverkostungen, wie hier bei Hällåkra, sind eine Selbstverständlichkeit. Nur vor Ort kaufen darf man den Wein nicht. (Foto: Alexander Hall/Visitskane/dpa-tmn)
Ein Schlückchen gefällig? Weinverkostungen, wie hier bei Hällåkra, sind eine Selbstverständlichkeit. Nur vor Ort kaufen darf man den Wein nicht. (Foto: Alexander Hall/Visitskane/dpa-tmn)
Ein Schlückchen gefällig? Weinverkostungen, wie hier bei Hällåkra, sind eine Selbstverständlichkeit. Nur vor Ort kaufen darf man den Wein nicht. (Foto: Alexander Hall/Visitskane/dpa-tmn)

Auf die Frage „Und, was hast Du in Schweden so gemacht?“ mit „eine Weinprobe“ zu antworten, ist ein Grund für mindestens ein Grinsen, wenn nicht ein paar handfeste Kalauer.

Schwedischer Wein - das klingt fast so wie Schnee auf Hawaii oder Strandurlaub auf Grönland. Doch die Sache ist ernst: „Die machen mittlerweile ziemlich gute Sachen“, urteilt Winzer-Koryphäe Lenz Moser aus Österreich. Und der muss es wissen, schließlich hat er sogar Wein in China angebaut.

Was man sagen muss: Schweden ist ein ziemlich langes Land, rund 1500 Kilometer sind es von Nord nach Süd. Und während man im Norden viel Schnee und Eis und vor allem lange Winter kennt, sind die klimatischen Bedingungen an der schwedischen Südküste, in der Provinz Skåne, zu Deutsch Schonen, gar nicht so schlecht für den Weinanbau.

Bis zu 30 Grad Celsius und manchmal sogar mehr kann das Thermometer anzeigen, und das bis in den September - Skåne hat also eine für skandinavische Verhältnisse lange Vegetationsperiode. Allgemein bitter, aber gut für die Winzer: Der Klimawandel dürfte die Temperaturen in Zukunft weiter steigen lassen.

Lob aus Frankreich

Am besten aber, man probiert es vor Ort aus. Zum Beispiel im Hällåkra Vingård in Anderslöv 30 Kilometer südöstlich von Malmö, einem der ersten Weingüter, das wirklich ernsthaft und systematisch mit dem Weinbau begann.

Ein Experiment gab den Startschuss: „Es war schon ein bisschen so eine Midlife-Crisis“, blickt Besitzer und Winzer Håkan Hansson zurück. Er war lange Jahre als Finanzberater tätig, dann ging er in die Politik und saß für die schwedischen Grünen sogar im Parlament. 2003 entschied er sich, zusammen mit seiner Frau Lotta einfach mal was Neues zu probieren und auf dem elterlichen Hof Wein anzubauen, wo einst Getreide stand.

Die Ansprüche waren eher realistisch: „Ich wollte wissen, ob es möglich ist, hier einen wenigstens trinkbaren Wein zu machen“ - immerhin gibt es auch in Dänemark durchaus ein paar gute Tropfen. Die ersten Ergebnisse waren allerdings eindeutig: „Das war eher nichts“, räumt der 70-Jährige lachend ein.

Aber wer wird schon gleich aufgeben? Er experimentierte weiter und fing an, den Wein auf seinem Hof zu servieren. 2010 kamen überraschend ein paar Winzer aus Bordeaux vorbei. „Da ging mir schon das Muffensausen, die sind schließlich Qualität gewöhnt.“ Zu seiner großen Überraschung waren die Besucher begeistert: „Wow, dieser Wein ist einmalig.“ Ungefähr so reagierten die französischen Kollegen.

Erfolg durch Hybrid-Sorten

Doch was genau bekommt man auf Hällåkra serviert? Vor allem weiße Solaris-Trauben, eine Sorte, die 1975 vom Freiburger Weinbauinstitut gezüchtet wurde. Auch rote Rondo-Trauben werden angebaut: zwei so genannte Piwi-Sorten, als Hybride, die besonders Kälte- und Mehltau-resistent sind.

Geschmacklich zeichnen sich die Weine aus der Solaris-Traube durch einen hohen Säuregehalt, einen blumigen Geschmack und geringen Alkoholgehalt aus - sehr frische Weine werden hier produziert, was auch die französischen Winzer so begeisterte.

Vor Ort verkosten lassen sich verschiedene Hällåkra-Weine: „Anna“ zum Beispiel, benannt nach der Ur-Ur-Großmutter, die mit ihrem Mann Jöns das Haus 1850 erbaute. Auch alle anderen Weine sind nach Vorfahren benannt.

„Anna“ ist leicht orange: „Diesen Wein lassen wir ein bisschen länger in der Schale liegen und pressen ihn, bevor er kippt. Er ist ein bisschen bitter - eher so etwas für Bier-Liebhaber“. Bei „Jöns“ wiederum verzichtet Hansson auf Schwefel und erklärt „er bitzelt ein bisschen auf der Zunge, denn er hört ja nie auf zu fermentieren.“

Auch die Sorten Rondo, Rubin und Regent baut der Winzer an. Eines ist allen Weinen gemein: „Unser Klima ist so kalt, dass unsere Weine einen hohen Säuregehalt haben. Wir können daher auf Zusätze verzichten“, sagt Hansson.

Probieren kann man die Weine vor Ort auf dem Weingut, kaufen allerdings nicht, zumindest nicht als sofortiges Mitbringsel, denn der staatliche Symbolaget, der staatliche schwedische Alkoholhandel, nimmt sein Monopol ernst.

Dieses Problem kennt auch Tina Berthelsen, Besitzerin des Weinguts Lottenlund Estate in Allerum nördlich von Helsingborg. Auch sie darf ihre Weine zwar verkosten lassen, aber nicht auf dem Gut sofort verkaufen. Beide Winzer behelfen sich damit, den deutschen Interessenten die Weine einfach nach Hause zu schicken.

Bio? Unbedingt!

Auch auf Lottenlund spielt Nachhaltigkeit eine große Rolle: „Wir schwefeln unsere Weine kaum, das ist aufgrund des niedrigen PH-Wertes auch nicht nötig, und nutzen auch kein Kupfer“, versichert Berthelsen. Auch ihre Weine seien „eher fruchtig, frisch und passen sehr gut zur lokalen Küche.“

Einen Menü-Vorschlag hat sie auch - für den Fall, dass der Wein als Souvenir für einen schwedischen Abend daheim ein Mahl begleiten soll: „Gebratenes Kabeljau-Filet mit Erbsen, neuen Kartoffeln und Butter“ - und eben einen eher säuerlichen schwedischen Wein, der die Butter ausbalanciert.

Allein sind die Hanssons und Berthelsen übrigens nicht: Das Åhus Vingård an der Ostküste von Schonen stellt Weine, auch Rosés, unter anderem aus den Trauben Rondo, Léon, Phoenix und Seyal Blanc her. Auf Kullabergs Vingård auf der Kullen-Halbinsel am Öresund wird unter anderem auch Cider produziert.

Eine andere Adresse für Liebhaber des Gekelterten ist Skepparps Vingård in Österlen. Hier erzeugt man nicht nur „Crossover-Sekt“ aus italienischen und schwedischen Trauben. Das Weingut ist auch alljährlich Treffpunkt der Szene: Bei einem Weinfest im Sommer präsentieren mehrere Weingüter rund 40 schwedische Weine.

Wer eine Tour von Weingut zu Weingut plant, wie sie etwa in dem US-Spielfilm „Sideways“ zwei Freunde als Roadtrip in Kalifornien unternahmen, der findet in Skåne reichlich Stationen. In der Provinz gibt es mittlerweile 35 Weingüter.

Wein in Skåne

Die Weinguter in der Provinz Schonen bieten Führungen inklusive Verkostungen an, teilweise können Gäste aber auch übernachten oder auf den Gütern Hochzeiten feiern. Geschäftsreisende können Örtlichkeiten für Tagungen buchen.

Eine Übersicht einzelner Weingüter und ihrer Angebote im Einzelnen findet sich unter visitskane.com. Über das alljähriche Weinfest informiert die Website vinfestivalosterlen.se.

© dpa-infocom, dpa:230915-99-210039/3


Von dpa
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