Bei ihren Einsätzen haben bayerische Polizeikräfte heuer so viele Menschen durch Schüsse aus Dienstwaffen tödlich verletzt wie seit 1997 nicht mehr. Laut Innenministerium starben vier Menschen, in fünf Fällen gab es Verletzte. Hinzu kam ein weiterer tödlicher Schusswaffengebrauch durch Kräfte der Bundespolizei.
Laut Landeskriminalamt starben zuletzt im Jahr 1997 vier Menschen durch den Schuss einer bayerischen Polizistin oder eines Polizisten. 2023 war es einer gewesen, 2022 zwei und 2021 gar keiner. Dennoch wäre es laut LKA verfehlt, von einem negativen Trend zu sprechen.
Zur Einordnung: In den Jahren seit 1997 wurde in fünf Jahren gar kein tödlicher Schuss durch bayerische Polizeikräfte registriert. In 14 Jahren gab es je einen Toten, in fünf Jahren je zwei Tote und in zwei Jahren je drei Tote. Der Schusswaffengebrauch von Bundespolizisten wird in dieser Statistik nicht erfasst.
Warum 2024 ein bisschen aus der Reihe ragt, lässt sich laut LKA nicht eindeutig erklären. „Ein möglicher Erklärungsansatz kann sein, dass gewaltsame Konfrontationen, etwa bei Bedrohungslagen mit Messern oder psychischen Ausnahmesituationen der Betroffenen, zunehmen“, erläuterte ein Sprecher. Auch jenseits direkter Angriffe auf Polizeikräfte nähmen Situationen zu, in denen die Beamtinnen und Beamten „in einem Bruchteil einer Sekunde“ auf (lebens-)gefährliche Situationen reagieren müssten.
Nach dem bayerischen Polizeiaufgabengesetz darf eine Polizeikraft nur in klar definierten Ausnahmesituationen ihre Waffe einsetzen. Der Einsatz muss immer verhältnismäßig sein und gilt als letztes Mittel. Vereinfacht gesagt darf dann von der Schusswaffe Gebrauch gemacht werden, wenn Gefahr für Leib und Leben besteht, gefährliche Straftaten dadurch verhindert oder beendet werden können oder die Flucht eines gefährlichen Straftäters verhindert oder unterbunden werden kann. Das Ziel der Schussabgabe soll es sein, den Täter angriffs- und fluchtunfähig zu machen.
Im Laufe des Jahres waren vonseiten der Polizeigewerkschaften wiederholt Forderungen nach einer breiteren Ausstattung auch von Streifenbeamten mit Elektroschockgeräten gestellt worden, um die Gefahren für Polizeikräfte zu vermindern und auch Verletzte und Tote durch Polizeischüsse zu vermeiden. Die Geräte, die landläufig unter dem Namen eines Herstellers als „Taser“ bekannt sind, schießen zwei nadelförmige Projektile in den Körper des Widersachers. In der Folge kommt es zu einem Stromfluss, der den Betroffenen vorübergehend lähmt.
Bayerns Innenminister Joachim Herrmann (CSU) erteilte diesen Forderungen jedoch eine Absage: Der Taser sei kein „Allheilmittel“ für gefährliche Einsätze, vor allem bei Tätern mit Schusswaffen oder Messern. „In hochbrenzligen und lebensgefährlichen Situationen könnte der Taser keine Wirkung haben, beispielsweise wenn die Elektroden die Kleidung des Angreifers nicht durchdringen können.“ Außerdem lasse ein Angreifer seine Waffe durch die muskuläre Verkrampfung nicht zwingend fallen.
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