Ohne sichtliche Regung verließ Wolfgang Niersbach nach der Einstellung des Verfahrens im Sommermärchen-Prozess gegen ihn den Saal 9 am Landgericht Frankfurt. Eine vom Gericht verfügte Geldauflage von 25.000 Euro zugunsten gemeinnütziger Einrichtungen markierte das Ende der WM-Affäre für den ehemaligen DFB-Boss, der durch den 2015 öffentlich gewordenen Skandal rund um die Fußball-WM 2006 tief gefallen war.
„Dies ist kein Freispruch. Der Tatverdacht besteht weiter, auch wenn die Schuld als gering zu betrachten ist“, sagte die Vorsitzende Richterin Eva-Marie Distler über die Einstellung des Verfahrens gegen Niersbach wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in einem besonders schweren Fall. Diese gilt vorerst für einen Monat. Erfüllt Niersbach bis zum 9. September die Geldauflage, ist der Prozess für ihn endgültig beendet.
Dies dürfte nur eine Formsache sein, da der 73-Jährige der Vereinbarung ebenso wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt zustimmte. Die Behörde hatte zwar eine Geldauflage von 58.000 Euro angedacht. Dennoch bezeichnete Oberstaatsanwalt Jesco Kümmel die Entscheidung als „sachdienlich und gerechtfertigt“.
Distler begründete die getroffene Vereinbarung damit, dass Niersbach „möglicherweise der Einzige ist, der nicht explizit involviert war in die Vorgänge“. Zudem sei der ehemalige DFB-Präsident durch den Skandal am tiefsten gefallen. „Für ihn war es ein persönliches Waterloo. Er hat alle Ämter verloren. Die Auswirkungen waren deutlich größer als bei den anderen Angeklagten“, sagte die Richterin.
Schon vor der Sommerpause des Steuerprozesses hatte die Richterin die Abtrennung des Verfahrens gegen den früheren DFB-Generalsekretär Horst R. Schmidt aus gesundheitlichen Gründen verfügt. In dem Prozess ist neben Niersbach und Schmidt noch der ehemalige DFB-Präsident Theo Zwanziger angeklagt.
Ihm hatte das Gericht keinen Deal vorgeschlagen, da der 79-Jährige laut Distler auf einen Freispruch abziele. Dieser sei erst am Ende des Prozesses möglich. „Eine Einstellung des Verfahrens kommt daher nach Würdigung der bisherigen Beweisaufnahme für die Kammer derzeit nicht infrage“, sagte Distler.
Die einstigen Spitzenfunktionäre des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) sollen eine im April 2005 an den Weltverband FIFA erfolgte Zahlung in Höhe von 6,7 Millionen Euro in der Steuererklärung für 2006 unrechtmäßig als Betriebsausgabe deklariert und damit die Steuer für das WM-Jahr um rund 13,7 Millionen Euro gekürzt haben. Alle drei Angeklagten weisen den Vorwurf strikt zurück.
„Herr Niersbach muss seit neun Jahren erleben, wie sein berufliches Lebenswerk verunglimpft wird“, hatte Niersbachs Anwältin Renate Verjans zum Prozessauftakt im März gesagt. Ihr Mandat nutze nun die Möglichkeit, „die Belastungen für ihn und seine Familie“ zu beenden.
Sie bekräftigte zudem, dass die Einstellung des Verfahrens gegen eine Geldauflage „kein Schuldeingeständnis“ von Niersbach sei. Der heute 73-Jährige war nach einem stetigen Aufstieg beim DFB von 2012 bis 2015 dessen Präsident, ehe er wegen der WM-Affäre zurücktrat.
Die FIFA hatte die 6,7 Millionen Euro nur einen Tag nach dem Eingang an Robert Louis-Dreyfus weitergeleitet. Der französische Unternehmer hatte im Jahr 2002 ein Darlehen in Höhe von zehn Millionen Schweizer Franken auf ein Konto von Franz Beckenbauer überwiesen. Diese Summe war später auf einem Firmenkonto des damaligen FIFA-Vizepräsidenten, Mohamed bin Hammam, in Katar gelandet. Welchem Zweck das Geld diente, ist immer noch unklar.
Als weitere Zeugen vor Gericht werden unter anderem noch der ehemalige FIFA-Präsident Joseph S. Blatter sowie die Ex-DFB-Präsidenten Fritz Keller und Reinhard Grindel erwartet.
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