Im Prozess um die mutmaßliche Vergewaltigung einer 18-Jährigen hat das Amtsgericht München einen katholischen Priester freigesprochen. „Es bestehen begründete Zweifel, was sich an jenem Tag im Pfarrhaus zugetragen hat“, sagte der Richter. Es gebe „kein klares Bild“. Widersprüche in der Aussage des mutmaßlichen Opfers hätten sich nicht aufklären lassen. Von der mutmaßlichen Tat gebe es vier Versionen - und das Gericht sehe sich nicht in der Lage, festzustellen, welche die richtige sei. Irgendetwas müsse zwar vorgefallen sein, aber was genau, das habe das Gericht nicht klären können.
Der Angeklagte selbst hatte im Prozess geschwiegen - und sprach dann überraschend doch in seinem letzten Wort. „Ich bin sehr, sehr, sehr enttäuscht als Mensch, nicht als Priester, als Mensch, der in Bayern lebt, der Bayern liebt, schätzt“, sagte er und sprach von Lügen, die sein Leben zerstören sollen. Ziel der Vorwürfe sei es, „dass man mich vernichtet“. Er betonte: „Ich weiß eines, dass ich sexuell niemanden genötigt habe.“
Ähnlich hatten zuvor auch die beiden Verteidiger des Mannes argumentiert, die einen Freispruch nach dem Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ forderten. Sie sprachen von Widersprüchen in den Aussagen der Betroffenen und ihrer Familie und legten nahe, der Vater der jungen Frau könne einen regelrechten Feldzug gegen den Priester geplant haben, weil dieser ein Verhältnis mit seiner Frau gehabt habe.
Der Staatsanwalt, der auf die Plädoyers der Verteidigung mit scharfen Worten reagierte, von arglistiger Täuschung sprach, einem „kläglichen Verteidigungsverhalten“ und den Anwälten zurief: „Sie sollten sich schämen“, hatte drei Jahre und neun Monate Haft für den heute 68-Jährigen gefordert.
An der Glaubwürdigkeit der Frau habe er keinen Zweifel. „Sie wollte Unterstützung“, sagte der Staatsanwalt. Dass der Angeklagte diese Situation ausgenutzt habe, sei „besonders verwerflich“. Die junge Frau hatte auch angegeben, der Geistliche habe einen „Dreier in der Sakristei“ mit Mutter und Tochter vorgeschlagen.
Er habe das Vertrauen „schamlos ausgenutzt“, sagte die Anwältin der mutmaßlich Betroffenen, die Nebenklägerin in dem Verfahren ist. Ziel sei gewesen, „seine Macht, seine Überlegenheit auszuüben und das ganze verborgen unter dem Deckmantel der seelsorgerischen Tätigkeit“.
Wegen des Verhältnisses mit einer verheirateten Frau hatte das Erzbistum München und Freising dem im Landkreis Dachau tätigen Priester den Titel „Pfarrer im Ruhestand“ aberkannt. Bei der Aberkennung habe auch das Verhalten gegenüber der damals 18-Jährigen eine Rolle gespielt, sagte ein Bistumssprecher. Allerdings sei das Ausmaß der Vorwürfe damals noch nicht bekannt gewesen.
„In der damals erfolgten Schilderung erfüllte der Vorfall weder den Straftatbestand der Vergewaltigung noch handelte es sich bei dieser Schilderung um einen Verdachtsfall er in den Zuständigkeitsbereich der unabhängigen Ansprechpersonen der Erzdiözese für die Prüfung von Verdachtsfällen des sexuellen Missbrauchs Minderjähriger durch Kleriker, Ordensangehörige oder andere Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im kirchlichen Dienst gefallen wäre“, teilte ein Bistumssprecher mit. „Von dem nun erhobenen Vorwurf der Vergewaltigung erfuhr die Erzdiözese erst im Rahmen der Ermittlungen der Staatsanwaltschaft im September 2024.“
Die junge Frau, die dem Priester Vergewaltigung vorwirft, bekam nach Angaben ihrer Anwältin 3.000 Euro Anerkennungsleistungen von der Diözese. „Kein Wort des Mitgefühls“ habe es gegeben, sagte die Anwältin. „Keine Reue, nur Geld.“ Wie das Bistum mitteilte, ruht ein kirchenrechtliches Verfahren, bis das strafrechtliche abgeschlossen ist. „Die Staatsanwaltschaft bat die Erzdiözese, während der Ermittlungen von eigenen Untersuchungen oder einer Kontaktaufnahme zum Beschuldigten abzusehen“, teilte das Bistum mit.
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