Konzentration fällt ihnen schwer, ebenso wie Ruhe und Impulskontrolle. „Oft merkt man es schon in einem frühen Alter, etwa in der Welpengruppe“, erklärt Hundetrainerin Julia Reich. „Da sind alle Tiere aufgeregt, aber ein ADHS-Hund legt immer noch eine Schippe drauf.“
Solche Tiere mit ADHS-Symptomen reagieren oft deutlich schon auf kleine Reize, das hat erhebliche Folgen: Sie sind schnell überreizt, haben mehr Stress als andere Hunde.
Das kann auch für viel Frust bei ihren Haltern sorgen, denn die Erziehung eines solchen Tieres ist anspruchsvoll. Es kann sich schwer konzentrieren, lässt sich schnell von seiner Aufgabe ablenken, manchmal ist seine Erregung kaum zu kontrollieren. Zudem kann es zu aggressivem Verhalten kommen.
Wer den Verdacht hat, sein Hund könnte unter ADHS leiden, sollte zunächst zu einem Tierarzt gehen und körperliche Ursachen ausschließen, wie etwa Schmerzen oder Probleme mit der Schilddrüse.
Auch mit einem Hundetrainer kann gesprochen werden, ob der Hund etwa als Folge seiner Haltung oder Erziehung übernervös reagiert. „Letztlich ist es eine Ausschlussdiagnose“, sagt Reich. Die ADHS-Diagnostik bei Hunden stecke noch in den Kinderschuhen.
Immerhin gibt es einen von Fachleuten entwickelten Fragebogen. Die Hundehalter müssen darin das Verhalten ihres Tieres einordnen, und zwar anhand von 13 Fragen wie zum Beispiel „Zappelt ständig?“, „Reagiert überdreht?“ oder „Schnell interessiert, verliert aber auch schnell wieder das Interesse?“. Ab einer bestimmten Punktzahl wird eine Verhaltensberatung empfohlen.
Generell hat ADHS nicht nur eine Ursache, es gibt mehrere Faktoren, die zu einem solchen Verhalten führen können - genetische und umweltbedingte. Tendenziell sind Rüden häufiger betroffen als Hündinnen, zudem gibt es Rassen, die in der Regel schnell auf Außenreize reagieren.
Ein Augenmerk der Forscher liegt dabei auf Rassen, die in Show- und Arbeitslinie unterteilt sind, wie zum Beispiel Border Collies. Die Vertreter der Showlinie zeigen dabei häufiger ADHS-ähnliches Verhalten als ihre Kollegen der Arbeitslinie, wie Reich sagt. Ihre Erklärung: Die Tiere der Showlinie würden tendenziell nicht adäquat beschäftigt. Besitzer von Hunden einer Arbeitslinie wüssten dagegen, dass ihre Tiere Aufgaben benötigten - und würden ihnen diese auch geben.
„Es ist generell ein Problem, wenn Hunde nur nach dem Aussehen gekauft werden, ohne darauf zu achten, welche Anlagen und Bedürfnisse ein solches Tier hat“, sagt Biologin Sandra Foltin. So werden Hunde etwa für die Jagd oder für das Treiben von Schafen gezüchtet, also für körperlich fordernde Aufgaben. Mit einer Gassirunde zweimal täglich sind diese Tiere unterfordert.
Doch was tun mit einem ADHS-Hund? „Der Halter muss für ihn eine vertrauenswürdige Bindungsperson sein“, nennt Reich einen wichtigen Punkt. Dazu sollte der Mensch sich erst einmal um sich selbst kümmern, um mögliche negative Gefühle wie Frust oder Stress beim Umgang mit seinem Tier in den Griff zu bekommen.
Denn diese Gefühle können die ADHS-Symptome bei seinem Hund verstärken. Reich empfiehlt hierfür etwa das Erlernen von Atemtechniken, diese können etwa beim Gassigehen oder im Training angewendet werden. Auch regelmäßige Meditationen können helfen.
Zudem sollte man darauf achten, dass der Hund zu Hause genügend Ruhe hat. Dafür braucht er mindestens einen Platz, an dem er immer in Frieden gelassen wird - auch von Kindern.
Im nächsten Schritt sollte man überlegen, auf welche Außenreize der Hund besonders reagiert, wie zum Beispiel spielende Kinder. Dann kann an der Desensibilisierung gearbeitet werden. „Man setzt sich neben einen Spielplatz, lässt den Hund aus der Distanz zuschauen“, rät Reich. Bevor das Tier überfordert ist, geht man mit ihm weg, sodass es sich wieder erholen kann.
Foltin empfiehlt zudem, sich Gedanken zu machen, welches Hobby dem Hund Spaß machen könnte. Hat er vielleicht eine gute Nase? Dann könnte zum Beispiel Mantrailing eine gute Wahl für ihn sein. Oder apportiert er gerne? Dann kann er mit der sogenannten Dummy-Arbeit ausgelastet und zu mehr Ruhe gebracht werden.
„Ganz wichtig ist es, bei allen Trainingsmethoden, auf Belohnung und keinesfalls auf Bestrafung zu setzen“, betont Foltin. Zudem sollte nicht versucht werden, etwa mit dem Werfen von Bällen den Hund körperlich zu ermüden - der dadurch ausgelöste Dopamin-Kick würde die ADHS-Symptome sogar noch verstärken.
Es gibt etliche weitere Methoden, um dem Tier zur Entspannung zu verhelfen. Foltin nennt etwa die konditionierte Entspannung. Dazu wird der Hund zunächst etwa durch eine Massage oder Streicheln in eine Entspannung gebracht und dann dieser Zustand mit einem Wort verknüpft. Dies muss natürlich trainiert werden. Ziel ist es, dass der Hund sich automatisch entspannt, sobald er das Wort hört.
Zudem können bestimmte Nahrungsergänzungsmittel oder Serotonin-Präparate zu einer Beruhigung führen - die Dosierung sollte jedoch mit einem Tierarzt abgesprochen werden. Weiterhin empfiehlt Reich, die Ernährung des Tieres zu überprüfen: „Ein zu hoher Proteingehalt von über 20 bis 25 Prozent kann Hyperaktivität fördern“, so die Hundetrainerin.
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