Japanische Delfinjäger haben bei der jährlichen Treibjagd vor der Küste des Walfangorts Taiji nach Angaben von Umweltschützern auch Muttertiere und deren Junge getötet. Wie die japanische Nichtregierungsorganisation Life Investigation Agency (LIA) am Montag mitteilte, habe man beobachtet, wie Delfingruppen mit stillenden Muttertieren attackiert und Babys auf offener See ihrem Schicksal überlassen wurden.
Die Aktivisten verfolgen täglich mit anderen Umwelt- und Tierschützern die Treibjagd, die stets zwischen September und März direkt vor der Küste Taijis stattfindet. Der kleine Ort in der Präfektur Wakayama gelangte durch den Oscar-gekrönten Dokumentarfilms „Die Bucht“ als Schauplatz des alljährlichen Gemetzels zu trauriger Berühmtheit.
Während die Zahl getöteter Delfine und Kleinwale in Japan angesichts geringer Nachfrage nach dem oft mit Giftstoffen belasteten Fleisch deutlich zurückgegangen ist, ist der Export lebender Tiere für die an der Treibjagd beteiligten Fischer laut Umweltschützern ein höchst lukratives Geschäft. Nach Angaben der LIA wurden in der gerade abgelaufenen Jagdsaison, für die eine Fangquote von 1849 Tieren galt, mindestens 527 Tiere zur Fleischverarbeitung getötet. 33 Delfine seien für den Verkauf an Aquarien lebend gefangen worden.
„In Japan werden die Treibjagden auf Delfine inzwischen nicht mehr durch den Verkauf von Delfinfleisch finanziert, sondern durch die skrupellose Nachfrage aus Delfinarien“, beklagte Sandra Altherr von der Tier- und Artenschutzorganisation Pro Wildlife vor Beginn der jüngsten Jagdsaison. Für einen trainierten Delfin würden 50.000 Dollar (rund 47.000 Euro) und mehr gezahlt.
Die meisten der intelligenten Meeressäuger verkaufe Japan nach China. Nach dem Ende der jüngsten Jagdsaison werde in Taiji jetzt eine Rekordzahl von 280 Delfinen für Unterhaltungsshows und für den späteren Verkauf gefangen gehalten, berichtete die LIA.
Sobald örtliche Fischer nahe der Küste von Taiji Delfine ausgemacht haben, treiben sie die Tiere in einer Bucht zusammen. Hierzu legen die Fischer den Orientierungssinn der Delfine lahm, indem sie Metallstangen ins Meer halten und darauf einhämmern. Gesunde Jungtiere - laut Tierschützern bevorzugt Weibchen - werden dann in Zusammenarbeit mit Delfintrainern im Auftrag in- und ausländischer Delfinarien vor einem Strand von Taiji aussortiert.
Die übrigen Tiere werden in einer benachbarten Bucht abgeschlachtet. Den vor allem in westlichen Ländern erhobenen Vorwurf, das Gemetzel sei grausam, weisen die Fischer immer wieder zurück.
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