Mit neuen massiven Luftschlägen auch gegen die ukrainische Hauptstadt Kiew setzt Russland Präsident Wolodymyr Selenskyj zunehmend unter Druck, auf ein Friedensangebot einzugehen. Nicht nur die russische Führung warf Selenskyj fehlenden Willen für eine Beendigung des Krieges vor, sondern auch US-Präsident Donald Trump ging ihn erneut scharf an. Trump warf ihm vor, den Krieg zu verlängern und warnte, er könne die gesamte Ukraine verlieren. Derweil starben bei den Angriffen mit Raketen und Drohnen auf Wohnhäuser mindestens 10 Menschen, 90 weitere wurden dem Zivilschutz zufolge verletzt. Die Attacke kritisierte Trump ebenfalls.
„Wir müssen eine Vereinbarung mit Selenskyj treffen“, sagte Trump. Zuvor kochte ein Streit hoch um die von Moskau schon 2014 annektierte Krim. Selenskyj lehnte es ab, die Schwarzmeerhalbinsel als russisches Gebiet anzuerkennen. Die russische Führung lobte Trump für seine Belehrung Selenskyjs, dass die Ukraine das Gebiet schon 2014 verloren und damals nicht darum gekämpft habe. Das entspreche voll der Position Moskaus, sagte Kremlsprecher Dmitri Peskow.
Moskau warf Selenskyj „absolute Unfähigkeit zum Verhandeln“ für ein Ende des Krieges vor. Die Sprecherin des russischen Außenministeriums, Maria Sacharowa, kritisierte, dass der ukrainische Präsident nur Verhandlungen zu seinen eigenen Bedingungen führen, aber keine Zugeständnisse eingehen wolle. „Dieser schizophrene Ansatz zeigt die absolute Verhandlungsunfähigkeit und die Verantwortungslosigkeit Kiews, das ohne Rücksicht auf die Opfer danach strebt, das Gemetzel bis zum letzten Ukrainer fortzusetzen“, sagte sie.
Sacharowa und Peskow sagten, dass Russland seine Gespräche mit den Amerikanern über eine Lösung des Konflikts um die Ukraine fortsetze. Russland erwartet dazu auch den US-Sondergesandten Steve Witkoff zu einem neuen Besuch. Einen Termin nannte Peskow nicht. Zugleich betonte er, dass Russland an einer friedlichen Lösung des Konflikts interessiert sei.
Kurz zuvor hatte der Kremlsprecher in einem Interview betont, dass Russland an seiner Forderung nach einem völligen Rückzug der Ukrainer aus den vier 2022 von Moskau annektierten Gebieten Cherson, Donezk, Luhansk und Saporischschja festhalte.
Rückendeckung für Selenskyj gab es hingegen aus Brüssel: Die EU-Außenbeauftragte Kaja Kallas kritisierte Trump für dessen Äußerungen über eine angebliche ukrainische Blockade von Friedensverhandlungen mit Russland. „Das wahre Hindernis ist nicht die Ukraine, sondern Russland, dessen Kriegsziele sich nicht geändert haben“, erklärte Kallas.
Als Beleg wertete sie die jüngsten Attacken. „Während Russland vorgibt, den Frieden zu suchen, hat es einen tödlichen Luftangriff auf Kiew gestartet“, kritisierte sie. Dies sei kein Streben nach Frieden, sondern eine Verhöhnung dessen. Solche Angriffe sieht Moskau vor allem auch als Mittel, die Bevölkerung zu zermürben - mit dem Ziel, die Bereitschaft zur Beendigung des Krieges zu russischen Bedingungen zu erhöhen. Kiew nennt das Terror.
Bei dem massiven nächtlichen Angriff mit Drohnen, Marschflugkörpern und Raketen sind in der Hauptstadt Kiew auch sechs Kinder verletzt worden, wie Bürgermeister Vitali Klitschko sagte. Er veröffentlichte in seinem Telegram-Kanal auch ein Video von sich an einem in Trümmern liegenden Haus.
Landesweit gab es Opfer und Schäden in neun Regionen. Neben Kiew traf es unter anderem die Regionen Charkiw, Dnipropetrowsk, Saporischschja und Schytomyr. In letzterer wurde etwa ein Feuerwehrmann im Einsatz verletzt, als die Russen eine zweite Angriffswelle starteten.
Selenskyj wollte angesichts der neuen Luftangriffe seinen Besuch in Südafrika vorzeitig beenden. Er betonte dort, dass der Druck auf Russland im Streben nach Frieden erhöht werden müsse. Der südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa bestätigte, dass er kürzlich auch mit Trump über den Krieg in der Ukraine gesprochen habe. Er plane, den US-Präsidenten bald zu treffen, um diese Gespräche fortzusetzen. Auch mit Kremlchef Wladimir Putin habe er vor wenigen Tagen am Telefon über eine Friedenslösung gesprochen.
Den nächtlichen russischen Angriff auf die Ukraine kritisierte auch Trump. Er forderte Putin in einem Post auf seiner Plattform Truth Social auf, damit aufzuhören. „Wladimir, STOPP!“, schrieb Trump teils in Großbuchstaben. „Ich bin nicht glücklich über die russischen Angriffe auf Kiew.“ Sie seien nicht notwendig und kämen zu einem sehr schlechten Zeitpunkt, schrieb Trump weiter. Jetzt gehe es darum, ein Friedensabkommen zu erreichen.
Das russische Verteidigungsministerium bezeichnete hingegen seine Angriffe als militärisch gerechtfertigt. „Heute Nacht haben die russischen Streitkräfte einen massierten Schlag mit reichweitenstarken boden-, luft- und seegestützten Hochpräzisionswaffen und Drohnen gegen Unternehmen aus der Luftfahrt- und Raketenindustrie, des Maschinenbaus, der Panzertechnik und der Produktion von Raketentreibstoff und Schießpulver geführt“, heißt es in einer Pressemitteilung.
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