Die Beisetzung von Papst Franziskus wird für Donald Trump wohl ein Moment der Prüfung. Nicht etwa, weil sich der Pontifex aus Argentinien und der US-Präsident besonders gemocht hätten. Die beiden waren sich, wenn überhaupt, eher in gegenseitiger Abneigung verbunden. Aber Trump gehört nun einmal zu den Leuten, die es gar nicht leiden können, wenn jemand anders im Mittelpunkt steht. Und das ist an diesem Samstag eindeutig: der tote Papst. Fast die ganze Welt erweist Franziskus die letzte Ehre.
Zum großen Trauerrequiem auf dem Petersplatz, wo nach der öffentlichen Aufbahrung jetzt im Dom der dann geschlossene Sarg aufgestellt sein wird, werden mindestens 50 Staats- und Regierungschefs erwartet. Dazu Oberhäupter anderer Religionen, Vertreter verschiedenster internationaler Organisationen und auch mehrere Königspaare. Aus Deutschland sind unter anderem Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier und der geschäftsführende Kanzler Olaf Scholz dabei.
Aber mit Sicherheit werden besonders viele Kameras auf den US-Präsidenten gerichtet sein, der zusammen mit seiner Frau Melania einen Platz ganz vorn beansprucht. Für Trump ist es die erste Auslandsreise seit seiner Rückkehr ins Weiße Haus. In Planung war, dass er auf Einladung von Italiens rechter Ministerpräsidentin Giorgia Meloni - aktuell wohl seine Lieblings-Europäerin - im Juni nach Rom kommt. Nun geht das viel schneller und auch nur für einen Tag, mit der Air Force One hin und zurück.
Trump war nach der Nachricht vom Ableben des Papstes einer der ersten, die ihr Kommen ankündigten. Nur Stunden später schrieb er auf seiner Online-Plattform Truth Social: „Melania und ich werden an der Beerdigung von Papst Franziskus in Rom teilnehmen. Wir freuen uns darauf, dort zu sein.“ Der Ton erinnerte manchen eher an die Zusage zu einer Essenseinladung. Aber schließlich geht es auch um eines der größten TV-Ereignisse dieses Jahres. Auch die Kleidung der First Lady wird beäugt werden. So ist das nun mal.
Trump und Franziskus verband wenig. Die beiden hätten gegensätzlicher kaum sein können, ein Riesenego und ein Menschenfreund. Als der US-Präsident in seiner ersten Amtszeit 2017 im Vatikan eine Privataudienz bekam, veröffentlichte der „Osservatore Romano“ danach ein Foto der beiden nebeneinander: rechts ein äußerst selbstzufrieden grinsender US-Präsident, links ein Papst, der fast schon leidend in die Kameras schaut. Die Beziehung war geprägt von Konflikten und offenem Streit.
Vor allem über die Frage, wie man mit Migranten umgeht: Als Trump in seinem ersten Wahlkampf 2016 eine Mauer nach Mexiko ankündigte, nannte Franziskus ihn „nicht christlich“. Der Immobilien-Mogul schimpfte zurück, solche Kritik sei schändlich. In diesem Frühjahr, kurz vor seiner Einlieferung ins Krankenhaus, schrieb der kranke Papst in einem Brandbrief an die US-Bischöfe zu den Abschiebeplänen der Trump-Regierung: „Was auf der Grundlage von Gewalt und nicht auf der Wahrheit über die gleiche Würde jedes Menschen aufgebaut wird, beginnt schlecht und wird schlecht enden.“
Und nun war der letzte Staatsgast, den Franziskus keine 24 Stunden vor seinem Tod empfing, ausgerechnet US-Vizepräsident JD Vance. Das Treffen dauerte wenige Minuten. Der Vatikan teilte nur mit, man habe sich frohe Ostern gewünscht. Die Zeitung „La Repubblica“ schrieb, Franziskus habe gewirkt, als sei er bereits mit einer höheren Instanz in Kontakt und habe für „Homunkulus-Boten“, die sich für auserwählt von Gott hielten, keine Zeit mehr.
Ansonsten regten sich die Leute in Rom während des Vance-Besuchs über die enormen Sicherheitsvorkehrungen auf. Selbst das Kolosseum wurde für den US-Vize und seine Familie abgesperrt. Noch viel strenger werden die Maßnahmen sein, wenn Dutzende Staats- und Regierungschefs in der Stadt sind - allen voran Trump. Auch bei der Trauerfeier bekommt er besonderen Schutz. Alles in allem sind mehr als 10.000 Sicherheitskräfte im Einsatz.
Am Rande des Requiems wird es mit Sicherheit zu dem kommen, was man Beerdigungsdiplomatie nennt. So despektierlich wie das klingt, ist das nicht: Bei solchen Gelegenheiten ist es üblich, dass Politiker die Gelegenheit nutzen, um über andere Themen zu reden als nur über den Verstorbenen.
Manche reden sogar schon von einem „Tito-Moment“: Als der jugoslawische Staatschef Josip Broz Tito 1980 starb, war tiefster Kalter Krieg. Am Rande des Begräbnisses entspannten sich zahlreiche diplomatische Kontakte, die Bewegung brachten. So schlimm ist die Lage nun nicht, aber die Beziehungen zwischen den USA und den Europäern sind seit Trumps Rückkehr ins Weiße Haus alles andere als gut: wegen der Strafzölle der Amerikaner, wegen des Ukraine-Kriegs und wegen vieler anderer Themen mehr.
Aus Deutschland war seit Januar noch niemand im Oval Office. Auch EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen bekam dort noch keinen Termin. Vom Treffen mit Wolodymyr Selenskyj hingegen ist allen in Erinnerung, wie der ukrainische Präsident von Trump vor der Weltöffentlichkeit niedergemacht wurde. Sie alle sind nun in Rom dabei. Bestätigte Termine gibt es noch keine - aber der US-Präsident verkündete schon, dass er „viele Treffen“ haben werde.
Dabei könnte es dann auch um eine Friedenslösung für die Ukraine gehen, wo Trump nach eigenen Worten eine Vereinbarung in greifbarer Nähe sieht. „Ich glaube, wir haben einen Deal mit Russland“, sagte er diese Woche. Jetzt müsse man noch „eine Vereinbarung mit Selenskyj treffen“ - vielleicht in Rom?
So wird Trump auch bei den Trauerfeiern viel Aufmerksamkeit auf sich ziehen. Bis zu seinem Abflug noch am Samstag dürften jedes seiner Gespräche, jede Geste, jeder Kontakt genau verfolgt werden. Auch wenn eigentlich, ein letztes Mal, Papst Franziskus im Mittelpunkt steht.
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