US-Präsident Donald Trump hat einen Handelspakt mit Großbritannien als Erfolg seiner Zollpolitik angepriesen. „Es ist ein sehr großer Deal“, sagte Trump auf einer Pressekonferenz im Weißen Haus.
Auch mit der EU wolle er eine Vereinbarung treffen, sagte Trump - ungeachtet der Drohkulisse aus der Brüssel, das sich Gegenzölle auf US-Exporte im Wert von knapp 100 Milliarden Euro vorbehält.
Für die USA ist der Deal mit den Briten die erste Vereinbarung mit einem wichtigen Handelspartner seit Trumps weitreichender Verhängung von Zöllen Anfang April. Der US-Präsident deutete an, dass noch viele weitere Vereinbarungen folgen könnten.
Großbritanniens Premier Keir Starmer dürfte sich in seinem Kurs, eine Konfrontation mit den USA zu meiden, bestätigt fühlen. „Das ist ein wirklich fantastischer, historischer Tag“, sagte Starmer per Telefon während der Pressekonferenz.
Trump hatte die Vereinbarung als „voll und umfänglich“ bezeichnet. Aus britischen Regierungskreisen war aber zu hören, es handle sich nicht um ein herkömmliches Freihandelsabkommen. Der Deal betreffe eher spezifische Bereiche und stelle einen Rahmen für weitere Verhandlungen dar.
Bislang gelten für die Briten - wie für alle anderen Nationen auch - für die meisten Exportgüter US-Zölle in Höhe von 10 Prozent. Auf Stahl und Aluminium sowie auf Autos und Autoteile werden sogar 25 Prozent erhoben.
Das soll nun für eine Quote von 100.000 Fahrzeugen auf 10 Prozent reduziert werden, wie US-Handelsminister Howard Lutnick sagte. Flugzeugteile von Triebwerkshersteller Rolls-Royce sollen zollfrei in die USA eingeführt werden können. Im Gegenzug werde Großbritannien Flugzeuge von Boeing im Wert von zehn Milliarden US-Dollar (ca. 8,9 Milliarden Euro) importieren. Zölle auf britischen Stahl und Aluminium sollen ganz aufgehoben werden.
Das Handelsvolumen zwischen den USA und Großbritannien betrug im vergangenen Jahr umgerechnet rund 370 Milliarden Euro. Bei etwa 70 Prozent der britischen Exporte in die USA handelte es sich aber um Dienstleistungen, die von Zöllen nicht betroffen sind, und nur bei etwa 30 Prozent um Waren.
Der EU hatte Trump flächendeckend Zölle in Höhe von 25 Prozent angedroht, sollte es keine eigene Einigung mit den USA geben. Als Frist gilt derzeit der Monat Juli. Auf ein Angebot aus Brüssel für die gegenseitige Aufhebung aller Zölle auf Industriegüter ging die Trump-Regierung bislang nicht ein.
Der US-Präsident will mit den Zöllen angebliche Handelsungleichgewichte korrigieren und Produktion in die USA verlagern. Zugleich sollen die Zolleinnahmen dazu dienen, sein teures Wahlversprechen großer Steuersenkungen zumindest teilweise gegenzufinanzieren.
Großbritanniens Premierminister Starmer betonte stets, man lege den Fokus auf den raschen Abschluss eines Handelspakts mit Washington. Gegenzölle wollte er daher - anders als Brüssel - nicht androhen.
Starmer war Trump mit einer regelrechten Charme-Offensive begegnet. Bei einem Besuch im Weißen Haus im Februar überreichte er dem US-Präsidenten eine Einladung zum Staatsbesuch von König Charles III.
Ganz anders fiel die Reaktion in Brüssel aus. Die Europäische Kommission bereitet einer Mitteilung zufolge weitere Gegenzölle auf US-Exporte im Wert von bis zu 95 Milliarden Euro vor. Diese Zusatzabgaben könnten auf Industrie- und Agrarprodukte wie Autos, Süßkartoffeln und Whiskey erhoben werden, sollten Verhandlungen mit Washington nicht zu einer Lösung führen.
Betroffen sein könnten von zusätzlichen Zöllen auch Maschinen, Auto- und Flugzeugteile, Chemikalien sowie neben Whiskey auch Rum und Wein aus den USA. Die mehr als 200 Seiten lange Liste mit Produkten, die aus Sicht der Kommission mit Zöllen belegt werden könnten, soll nun öffentlich und von der Wirtschaft diskutiert werden.
Hoffnung ist gleichzeitig, dass die Liste auch in den USA analysiert wird und exportorientierte Unternehmen die Regierung in Washington drängen, eine Einigung mit der EU zu erzielen.
Parallel zu der Vorbereitung neuer möglicher Gegenzölle will die EU-Kommission die USA wegen der Zölle bei der WTO verklagen, wie die Behörde weiter mitteilte. Dort richtet der Streitschlichtungsausschuss dann ein Expertengremium ein, das begutachtet, ob die Zölle gegen WTO-Regeln verstoßen.
Neben den Zusatzabgaben zieht die Kommission für diesen Fall außerdem EU-Ausfuhrbeschränkungen für bestimmte Produkte im Wert von 4,4 Milliarden Euro in Erwägung. Dazu gehören etwa Stahlschrott und chemische Erzeugnisse, die von US-Unternehmen bislang gerne importiert werden.
Die Einigung auf einen Deal mit Trump ist für Starmer vor allem ein symbolischer Erfolg. Als ökonomisch wichtiger gilt eine Annäherung mit der Europäischen Union, die bei einem Gipfel am 19. Mai in London mit EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen und EU-Ratspräsident António Costa entscheidend vorankommen soll.
Spekuliert wurde auch immer wieder über eine dynamische Vereinbarung im Bereich von Tiergesundheit und Lebensmittelstandards. Das könnte durch Zugeständnisse an die USA erschwert werden. Chlorhühnchen und hormonbehandeltes Rindfleisch soll es aber in britischen Supermärkten nicht geben. Britische Lebensmittelstandards würden durch die Vereinbarung mit den USA nicht gesenkt, betonte ein britischer Regierungssprecher.
Hintergrund dürfte sein, dass die EU als Ganzes der wichtigere Handelspartner für Großbritannien ist. „Dort fließt fast die Hälfte der britischen Warenexporte hin. In die USA gehen als wichtigstes Zielland „nur“ 16 Prozent“, sagte Marc Lehnfeld von der bundeseigenen Gesellschaft Germany Trade and Invest (GTAI) der Deutschen Presse-Agentur in London.
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