Am Münchner Landgericht sind seit dem Wirecard-Kollaps im Sommer 2020 insgesamt 2251 Zivilklagen im Zusammenhang mit dem mutmaßlichen Milliardenbetrug eingegangen. Über die Hälfte davon - insgesamt 1178 Verfahren - sind Schadenersatzklagen gegen die Wirtschaftsprüfungsgesellschaft EY, wie Gerichtspräsidentin Beatrix Schobel und ihre Richterkolleginnen und -kollegen am Freitag berichteten. 407 Klagen richten sich gegen Ex-Vorstandschef Markus Braun.
Einige wenige Verfahren sind bereits erledigt, so auch die allererste Wirecard-Klage, die bereits im Frühjahr 2019 am größten bayerischen Gericht einging: Das war eine Schadenersatzklage des Wirecard-Vorstands gegen die britische „Financial Times“, die die Bilanzmanipulationen bei dem Dax-Konzern in jahrelanger Recherche aufgedeckt hatte. Wenige Monate nach der Pleite ließ der Insolvenzverwalter die Klage zurücknehmen.
Bis die Schadenersatzklagen gegen EY erledigt werden, könnte aber noch lange Zeit vergehen. Vor dem Bayerischen Obersten Landesgericht läuft ein Musterverfahren. Wenn dort die Entscheidung gefallen ist, soll diese als Richtschnur für die übrigen Klagen dienen.
Seit 8. Dezember läuft ebenfalls am Landgericht München I der Strafprozess gegen den früheren Vorstandschef Markus Braun und zwei Mitangeklagte, denen die Staatsanwaltschaft bandenmäßigen Betrug vorwirft. Sie sollen mit Hilfe erfundener Umsätze und Gewinne glänzende Geschäfte vorgetäuscht und Banken und Kreditgeber um über drei Milliarden Euro geprellt haben.
Gerichtspräsidentin Schobel hob hervor, welche Arbeitslast für das Gericht die Wirecard-Affäre bedeutet: „Viele Richterinnen und Richter haben eine Zeit lang einen Großteil ihrer Arbeitskraft dafür aufgewendet oder tun dies immer noch“, sagte Schobel.
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