Europas Raumfahrt muss aufholen - so sieht es der Chef der europäischen Raumfahrtbehörde Esa, Josef Aschbacher. Die Aufholjagd soll auch mit deutlich mehr Geld gewonnen werden, um unabhängiger zu werden und zu verhindern, dass Teile der Weltraumbranche aus Europa abwandern.
Genau darum soll es bei der Esa-Ministerratstagung in Bremen gehen. Wenn die Ministerinnen und Minister der Esa-Länder am 26. und 27. November in der Hansestadt zusammenkommen, beschließen sie das Drei-Jahres-Budget für Europas Raumfahrtagentur.
Deutschland hat bei der vergangenen Esa-Ministerratskonferenz 2022 in Paris offiziell den Esa-Ratsvorsitz von Frankreich übernommen und richtet deshalb das Treffen der 23 Mitgliedsstaaten aus. Die Wahl fiel schließlich auf Bremen - neben Bayern und Baden-Württemberg der bedeutendste Raumfahrstandort in Deutschland.
In Bremen sind rund 140 Unternehmen in der Luft- und Raumfahrt tätig, darunter Airbus, ArianeGroup und OHB. Sie machen jährlich vier Milliarden Euro Umsatz - unter anderem mit Satelliten für das europäische Navigationssystem Galileo, der Oberstufe der Ariane 6 Rakete und mit dem Europäischen Service Modul (ESM) für das Orion-Raumschiff der Nasa. Zudem ist Bremen mit dem Sitz verschiedener Institute des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt (DLR) ein wichtiger Wissenschaftsstandort.
Zur Konferenz werden Delegationen aus allen 23 Mitgliedsländern anreisen. Darunter sind Ministerinnen und Minister, Ministerialbeamte und Vertretungen aus den Fachabteilungen sowie Mitarbeiter der nationalen Raumfahrtagenturen. Die Veranstalter rechnen mit rund 500 Teilnehmenden.
Esa-Chef Aschbacher hat ein Budget von 22 Milliarden Euro vorgeschlagen. Das wäre auch inflationsbereinigt noch einmal mehr als das derzeitige Drei-Jahres-Budget. 2022 hatten sich die Mitgliedsländer auf rund 17 Milliarden Euro geeinigt - und schon das war ein Rekordhoch. Traditionell fällt der Haushalt am Ende etwas geringer aus als vom Esa-Chef vorgeschlagen.
Der genaue Betrag wird auf der Konferenz verhandelt. Grundsätzlich gilt: Wer viel einzahlt, bekommt auch viel zurück – in Form von Aufträgen an Unternehmen oder für Forschungen im eigenen Land. Bei der vergangenen Konferenz beteiligte sich Deutschland mit 3,5 Milliarden Euro, diesmal dürfte es deutlich mehr sein. Traditionell steuern Deutschland und Frankreich am meisten Geld zum Esa-Budget bei.
Die Länder Bayern, Baden-Württemberg und Bremen fordern sechs Milliarden Euro. „Hier hören wir gute Signale von der Bundesregierung, sehen aber auch, dass zur Erreichung unserer Ziele noch ein Stück fehlt“, sagte ein Sprecher des Bremer Wirtschaftsressorts.
„Wir müssen wirtschaftlich aufholen“, meint Esa-Leiter Aschbacher. In Europa seien die Investitionen in die Raumfahrt viel geringer als in den USA. Und von den globalen Investitionen landeten nur 10 Prozent hier, obwohl Europas Raumfahrtwirtschaft global gesehen etwa 20 Prozent ausmache.
„Wir sind deshalb wirklich im Rückstand. Wir müssen einen Gang zulegen und wir müssen das jetzt tun“, sagt Aschbacher. Der Esa-Chef sieht die Raumfahrt nicht nur als Wachstumsbranche. Es geht ihm auch darum, Personal und Firmen in Europa zu halten.
Beim Budget geht es auch um strategische Überlegungen. „Wir haben einige Bereiche, wo wir abhängig sind von anderen Staaten und da müssen wir mehr Autonomie und Unabhängigkeit schaffen“, betont Aschbacher. Dafür brauche es auch mehr Investitionen in die eigene Technologie.
Der Esa-Chef sieht die geopolitische Lage als einen maßgeblichen Treiber der Budget-Verhandlungen. In den vergangenen Jahren war der Druck auf die Esa gewachsen, eigenständiger zu werden. Infolge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine konnte Europa die russischen Sojus-Raketen nicht mehr nutzen. Wegen weiterer Probleme mit Raketen musste man zwischenzeitlich Missionen mit der US-Firma SpaceX von Elon Musk ins All bringen.
Für ein Ticket zum Mond setzt Europa auf die USA. Einen eigenen Zugang zum All für die bemannte Raumfahrt gibt es ohnehin nicht. Eigentlich ist die Nasa ein sehr enger Partner der Esa, weil mit US-Präsident Donald Trump aber die Verlässlichkeit getroffener Abmachungen und das Interesse an gemeinsamem Vorgehen infrage gestellt scheint, ist die Dringlichkeit noch einmal größer, eigenständiger zu werden. Auch für die Sicherheit in Europa ist Autonomie in der Raumfahrt ein Faktor.
Bei der Tagung geht es darum, wie die Esa sich für die kommenden Jahre strategisch aufstellen will. Schwerpunkte sind neben Wettbewerbsfähigkeit und einer stärkeren Autonomie auch ganz klassische Ziele wie der Schutz des Planeten und das Erforschen des Alls.
Allgemein arbeitet die Esa an zahlreichen Vorhaben im Weltraum von Wettersatelliten über Wissenschaftsprojekte zu den Geheimnissen des Alls bis hin zu bemannten Missionen auf der Internationalen Raumstation ISS. Auf der Erde profitieren wir von der Raumfahrt etwa durch besseren Katastrophenschutz oder präzisere Navigation.
Bremens Wirtschaftssenatorin Kristina Vogt hofft, dass die Mitgliedsländer Einigkeit demonstrieren. „Ich erwarte von der Esa-Ministerratskonferenz in erster Linie kluge, strategische Entscheidungen, die den Nutzen der Raumfahrt für die Menschen weiter erhöhen“, sagte die Linken-Politikerin der Deutschen Presse-Agentur dpa. „Ohne Raumfahrtindustrie geht heutzutage gar nichts mehr.“
Für Bremen als Raumfahrtstandort wäre es unter anderem wichtig, dass in die Zukunft der Träger wie Ariane 6, in Satelliten zur Erdbeobachtung und zum Klimaschutz sowie in das Artemis-Programm - also in die bemannte Raumfahrt zum Mond - investiert wird.
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