Nach der Kritik an den Plänen von Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD) für eine beschleunigte Einbürgerung stoßen auch die Vorschläge für die erleichterte Fachkräftezuwanderung bei der Opposition auf Vorbehalte. Der Parlamentarische Geschäftsführer der Unionsfraktion, Thorsten Frei (CDU), warnte in Berlin davor, „dass man flächendeckend mit dem deutschen Pass um sich wirft“.
Dem angepeilten Punktesystem für eine vereinfachte Einwanderung in den Arbeitsmarkt erteilte er ebenfalls eine Absage. Dazu will das rot-grün-gelbe Bundeskabinett an diesem Mittwoch ein Eckpunktepapier verabschieden.
Anerkannte Fachkräfte mit einem gültigen Arbeitsvertrag sollen einfacher als bisher nach Deutschland kommen können. Auf der Basis eines Punktesystems sollen zudem auch Fachkräfte ohne Arbeitsvertrag einreisen dürfen, wenn sie bei bestimmten Auswahlkriterien wie Sprachkenntnissen oder Berufserfahrung besonders gut abschneiden Genau diesen Punkt lehnt die Union ab.
Die Grünen-Innenpolitikerin Misbah Khan hielt dagegen. Sie sagte: „Seit Jahren sprechen wir davon, dass wir mehr Zuwanderung brauchen, um unseren Bedarf an Arbeitskräften zu decken.“ Die Menschen müssten begreifen, was es bedeute, wenn es hier keine Fortschritte gebe. Sie warnte: „Wenn an jeder Ecke Personal fehlt, verändert sich das Leben grundlegend. Längere Lieferzeiten, schlechte Pflegebedingungen und ein Zusammenbruch des Rentensystems wären logische Folgen.“
Auch um die angepeilte Reform des Staatsbürgerschaftsrechts reißen die Debatten nicht ab. Der CDU-Politiker Frei sieht hier keinen Handlungsbedarf: „Wir haben ein liberales Staatsbürgerschaftsrecht - es ist in den vergangenen Jahren immer weiter liberalisiert worden.“ AfD-Fraktionschefin Alice Weidel sprach von einer „unverantwortlichen Politik“. „Grün-Rot“ wolle sich „im großen Stil neue Wähler schaffen und dadurch eigene Mehrheiten zementieren“. Faeser plant, dass Zuwanderer anstatt wie bisher nach acht Jahren künftig schon nach einem fünfjährigen Aufenthalt die deutsche Staatsbürgerschaft erhalten können, bei „besonderen Integrationsleistungen“ sogar schon nach drei Jahren.
Unionsfraktionschef Friedrich Merz bemühte sich jedoch, den Ton in der Debatte zu entschärfen. Die Union verschließe sich „einer weiteren Modernisierung des Einwanderungsrechts und des Staatsbürgerschaftsrechts der Bundesrepublik Deutschland nicht“, sagte der CDU-Vorsitzende. „Wir legen allerdings auch Wert darauf, dass die Vergabe der Staatsbürgerschaft am Ende eines Integrationsprozesses stattfindet und nicht am Anfang.“
Noch in dieser Woche soll es im Bundestag auf Antrag der CDU/CSU-Fraktion eine Aktuelle Stunde zu dem Vorhaben geben, das - zumindest was den zeitlichen Ablauf angeht - auch in Teilen der FDP umstritten ist. So sagte FDP-Innenpolitiker Konstantin Kuhle der „Welt“: „Noch bevor das geplante Einwanderungsgesetz beschlossen ist, präsentiert das Bundesinnenministerium einen Gesetzentwurf zum Staatsangehörigkeitsrecht. Das ist die falsche Reihenfolge.“
Die Vorsitzende der „Wirtschaftsweisen“, Monika Schnitzer, unterstützt jedoch die Regierungspläne: Eine erleichterte Einbürgerung stärke die Integration der in Deutschland lebenden und arbeitenden Ausländerinnen und Ausländer, sagte sie den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Auch der Bundesverband mittelständische Wirtschaft (BVMW) sieht darin einen Standortvorteil für Deutschland, wie Bundesgeschäftsführer Markus Jerger dem Redaktionsnetzwerk Deutschland sagte.
Über ein weiteres Vorhaben der Ampel-Koalition zu Migrationsfragen soll der Bundestag noch in dieser Woche abstimmen. Von dem geplanten Gesetz zum sogenannten Chancen-Aufenthaltsrecht sollen gut integrierte Ausländer profitieren, die schon mehrere Jahre ohne gesicherten Status in Deutschland leben. Wer zum Stichtag fünf Jahre im Land lebt und nicht straffällig geworden ist, bekommt den Plänen zufolge 18 Monate Zeit, um die Voraussetzungen für einen langfristigen Aufenthalt zu erfüllen - dazu gehören etwa Deutschkenntnisse und die Sicherung des eigenen Lebensunterhalts.
An dem Entwurf zum Chancen-Aufenthaltsrecht wurden nach Beratungen zwischen den Koalitionären am Montagabend noch Änderungen vorgenommen. Der FDP war dabei wichtig, dass nur von der Regelung profitieren kann, wer nach Abschluss seines Asylverfahrens mindestens ein Jahr mit einer Duldung in Deutschland verbracht hat. Damit soll verhindert werden, dass Ausländer etwa wegen einer überlangen Verfahrensdauer oder weil ein Abschiebungsflug ausgefallen ist, automatisch zum Kreis der Begünstigten gehören. „Es kann nicht sein, dass Personen schon nach Ablauf des erfolglosen Asylverfahrens und des Asylprozesses quasi zufällig in einen gesicherten Aufenthalt rutschen“, sagte die FDP-Abgeordnete Ann-Veruschka Jurisch.
Die Grünen hatten sich in den Beratungen dafür eingesetzt, dass die Geduldeten nicht nur ein Jahr, sondern 18 Monate Zeit bekommen, um die erforderlichen Integrationsleistungen zu erbringen. Außerdem wurde der Stichtag vom 1. Januar auf den 31. Oktober 2022 verschoben.
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