Das Landgericht München I hat einen Arzt wegen der Vergewaltigung betäubter Patientinnen zu einer Gefängnisstrafe verurteilt. Es verhängte sechseinhalb Jahre Haft gegen den Gastroenterologen wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs in 17 Fällen. Das Gericht sah es als erwiesen an, dass der Angeklagte sich in einer Münchner Gemeinschaftspraxis an den Frauen verging, während sie für Darmspiegelungen unter Betäubung waren.
„Wir sind ohne vernünftigen Zweifel zu dem Ergebnis gekommen, dass die Anklagepunkte tatsächlich erwiesen sind“, sagte der Vorsitzende Richter. Die Staatsanwaltschaft hatte acht Jahre Haft gefordert.
Mitarbeiterinnen des Arztes hatten die Taten wiederholt beobachtet und ihren Chef schließlich angezeigt. Die Kammer sei von der Glaubwürdigkeit dieser Zeuginnen überzeugt, sagte der Richter.
Laut Anklage führte der Mediziner seinen Finger in die Vagina der jeweiligen Patientin ein, ohne dass es dafür einen medizinischen Grund gab und ohne dass die betroffenen Frauen es bemerkten oder sich dagegen wehren konnten. Die Taten erstrecken sich über vier Jahre von 2017 bis 2021.
Es habe „nicht den geringsten Anhaltspunkt“, den Aussagen der Zeuginnen keinen Glauben zu schenken, sagte der Vorsitzende Richter. Er sah auch keinen Hinweis darauf, dass die Zeuginnen sich abgesprochen, gegenseitig beeinflusst oder aufgestachelt haben könnten. „Da gab es nichts von einem Belastungseifer.“ Die Zeugen seien „in der Glaubwürdigkeit nicht angreifbar“ gewesen. Sie hätten ihrem Chef nichts Böses gewollt. „Sie wollten nur, dass er aufhört, dass er endlich aufhört.“
Die mutmaßlichen Opfer seien „junge, schlanke Frauen“ gewesen, hatte eine 36-Jährige gesagt, die eine dieser vier Zeuginnen war. Oft seien diese Frauen stärker mit Propofol sediert worden, weil der Arzt sie als schwierige Fälle eingestuft habe. „Die Patientinnen wurden sehr oft nachgespritzt, dass sie auch wirklich tief und fest schlafen“, sagte sie.
Was die Motivation des Angeklagten gewesen sein könne, wisse sie auch nicht. Es seien immer nur sehr kurze Momente gewesen. Vielleicht habe der Mediziner seine Macht ausüben wollen, mutmaßt sie: „Ich hab' die Gewalt über Dich, Du liegst da grad.“
Die Verteidigung des 52-Jährigen hatte Freispruch gefordert. Der Angeklagte hatte die Vorwürfe zu Prozessbeginn über seine Anwältin „vollumfänglich“ bestritten und eine Verschwörung seines Praxiskollegen und der Mitarbeiterinnen gegen ihn ins Spiel gebracht. „Er hat sich immer an alle medizinischen Grundsätze gehalten“, hatte seine Anwältin gesagt. Das Gericht sah das völlig anders.
© dpa-infocom, dpa:250131-930-361841/1