Die Blitzangriffe dauerten nur etwa 30 Sekunden - 30 Sekunden, in denen Hanna S. und ihre Kumpane vermeintliche Neonazis bei einem Rechtsextremisten-Treffen in Budapest erheblich verletzt haben sollen. Von diesem Mittwoch an steht die Studentin nun unter anderem wegen versuchten Mordes in München vor Gericht. Es ist ein weiterer Prozess gegen eine mutmaßliche Linksextremistin im aufsehenerregenden „Budapest-Komplex“.
Aus Sicht der Bundesanwaltschaft hatte sich Hanna S. spätestens Anfang Februar 2023 einer linksextremistischen Vereinigung namens „Antifa Ost“ angeschlossen, deren Angehörige eine militante linksextremistische Ideologie teilten, die eine Ablehnung des demokratischen Rechtsstaats und des staatlichen Gewaltmonopols beinhalte. Die Gruppe hatte es demnach zum Ziel, mit Gewalt gegen Angehörige des politisch rechten Spektrums vorzugehen.
Vor diesem Hintergrund sollen Mitglieder der Vereinigung nicht nur in Deutschland, sondern im Februar 2023 auch in der ungarischen Hauptstadt Budapest mindestens fünfmal Menschen angegriffen haben, die aus ihrer Sicht zur rechten Szene gehörten. Zu jenem Zeitpunkt fand in Budapest ein Treffen zahlreicher Rechtsextremer aus ganz Europa statt.
Hanna S. soll dort an zwei Überfällen auf drei Menschen beteiligt gewesen sein. Die Geschädigten waren mit Schlagstöcken, einem Hammer und Pfefferspray drangsaliert worden. Beim ersten Angriff erlitt ein Mann schwere Kopfwunden, beim zweiten waren vor allem Prellungen und Platzwunden die Folge.
Die Bundesanwaltschaft wirft Hanna S. deshalb versuchten Mord, gefährliche Körperverletzung und die Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung vor. Das Oberlandesgericht München hat jedoch bereits darauf hingewiesen, dass bei einer etwaigen Verurteilung statt versuchten Mordes auch „nur“ gefährliche Körperverletzung in Betracht kommen könnte. Die Verteidigung betont ihrerseits, die Anklage entbehre jeglicher Grundlage. Bis zu einer rechtskräftigen Verurteilung gilt wie immer die Unschuldsvermutung.
„Der Vorwurf des versuchten Mordes ist nicht haltbar“, unterstreichen die Anwälte der 30-jährigen Deutschen, die am 6. Mai in Nürnberg festgenommen worden war und seither in Untersuchungshaft sitzt. Auch der Vorwurf der Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung ergebe sich aus dem in dieser Hinsicht dürren Aktenmaterial nicht.
Das Oberlandesgericht misst dem Prozess eine besondere Bedeutung zu, zuständig ist der Senat für Staatsschutz. Die Überfälle könnten nach Auffassung des Gerichts „negative Auswirkungen auf das Erscheinungsbild der Bundesrepublik Deutschland gegenüber anderen Staaten haben“. Wenn eine Gruppe aus Deutschland nach Ungarn reise, um dort gegen aus ihrer Sicht politisch missliebige Menschen Gewalttaten zu verüben, stelle das auch das dortige staatliche Gewaltmonopol infrage.
Für den Prozess sind zunächst 24 Verhandlungstermine geplant, das Urteil könnte demnach Ende Juni gesprochen werden. Unterstützer von Hanna S. hatten öffentlich gefordert, dass die deutsche Justiz sowohl in diesem als auch in anderen Fällen im „Budapest-Komplex“ ein Verfahren eröffnen solle - um einem möglichen Auslieferungsgesuch Ungarns zuvorzukommen. Ein fairer Prozess sei dort wegen politischer Eingriffe in die Justiz nicht gesichert, hieß es, außerdem seien die Haftbedingungen teilweise nicht menschenwürdig.
Die angeklagten Vorfälle hatten sich laut Bundesanwaltschaft rund um den sogenannten „Tag der Ehre“ in Budapest ereignet. Jedes Jahr kommen dort Rechtsextremisten aus ganz Europa zusammen, um des Ausbruchsversuchs der deutschen Wehrmacht, der Waffen-SS und ihrer ungarischen Kollaborateure aus der von der Roten Armee belagerten Stadt zu gedenken.
Im Zusammenhang mit der „Antifa Ost“ hatten auch der Prozess gegen Lina E. und drei Mitangeklagte in Dresden sowie die an einer einzigen Stunde gescheiterte Verhinderung der Auslieferung einer sich „Maja“ nennenden, non-binären Person an Ungarn für Aufsehen gesorgt. Und im November war der seit langem untergetauchte mutmaßliche Kopf der Gruppe, Johann G., festgenommen worden. Sieben weitere zunächst untergetauchte Mitglieder, die in Budapest zugeschlagen haben sollen, stellten sich im Januar den Behörden.
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