Während Deutschland noch über die geplante Cannabis-Legalisierung diskutiert, sind andere Länder schon deutlich weiter. In einigen boomen legale Shops mit breiten Produktpaletten - von fertigen Joints bis zu Gummibärchen. Andernorts kämpft die Polizei gegen massiven Anbau und berühmte Drogenmeilen. Denn Regeln zu Anbau und Verkauf von Cannabis - der lateinische Name für Hanf - variieren stark. Ein Streifzug durch Ganja-Shops und Weed-Hotspots weltweit.
Thailand gilt seit vergangenem Jahr als neues Cannabis-Mekka. Drohten früher drakonische Strafen, so schießen nun schicke Cannabis-Shops wie Pilze aus dem Boden. Ziel der Regierung war, durch lizenzierten Anbau die pandemiegeschwächte Wirtschaft anzukurbeln. Dazu wurden zu Beginn sogar eine Million Hanfpflanzen an Privathaushalte verschenkt. Das Ganja geht unter so verheißungsvollen Namen wie „Painkiller“ oder „Guava Gouda“ über die blank polierten Ladentheken. Aber es gibt Regeln: Das Mindestalter für den Konsum liegt bei 20, Im- und Export sind verboten. Auch ist öffentliches Rauchen nicht gestattet - manche Shopbesitzer haben private Raucherecken eingerichtet. Damit sich Gras-Freunde im Dunst der Vorschriften zurechtfinden, gibt es einen Cannabis-Guide für Touristen.
Offiziell ist Ganja bisher zwar nur für den medizinischen und industriellen Gebrauch freigegeben - aber da es von der Liste illegaler Drogen gestrichen wurde, ist auch der Freizeitkonsum nicht mehr verboten. Zumindest momentan. Denn noch ist die Legalisierung nicht vom Parlament per Gesetz verankert worden - und es gibt Gegner. Dass es noch einmal ein komplettes Verbot geben wird, halten politische Beobachter aber für unwahrscheinlich.
Der Wegbereiter hin zu einem neuen Umgang mit der Droge war Uruguay, das 2013 als erstes Land weltweit den Konsum, den Verkauf und den Anbau von Cannabis legalisierte. Süßliche Marihuana-Schwaden ziehen am frühen Abend durch die engen Straßen der Altstadt von Montevideo. An der Uferpromenade Rambla und in den Parks lassen junge Leute die Joints kreisen. Konsumenten dürfen pro Woche bis zu zehn Gramm Marihuana in der Apotheke erwerben. Dort sei es „einfach sicherer und vertrauenswürdiger“, sagt Sol Scavino (31).
Voraussetzung: Die Konsumenten müssen sich vor dem Kauf registrieren. Außerdem dürfen sie zu Hause bis zu sechs Pflanzen mit einer maximalen Jahresernte von 480 Gramm kultivieren. Cannabis-Clubs mit zwischen 15 und 45 Mitgliedern können bis zu 99 Pflanzen besitzen.
Noch viel früher duldeten die Niederlande bereits in den 1970er Jahren als eines der ersten Länder der Welt den Verkauf und Konsum von sogenannten weichen Drogen. Das Land gilt seit Jahrzehnten als Kiffer-Paradies. Doch die oft gerühmte Toleranz hat einen Haken: Coffeeshops dürfen zwar Cannabis verkaufen, doch Anbau und Großhandel sind verboten. Das heißt, die Läden müssen sich ihre Ware illegal besorgen, durch die Hintertür sozusagen. „Die Niederlande waren weltweit die Wiege für die Toleranz von Softdrugs“, sagt Coffeeshop-Besitzer Paul Wilhelm. „Eigentlich hätten wir dafür auf der Liste des Weltkulturerbes stehen müssen. Stattdessen werden wir links und rechts eingeholt.“ Immerhin: Im nächstem Jahr startet ein Versuch mit legalem Anbau von Cannabis.
Es gibt auch Schattenseiten: Gerade Amsterdam leidet unter vielen saufenden und kiffenden Partytouristen. Vor „De Dampkring“ im Zentrum stehen ein paar britische Touristen und ziehen genüsslich an einem Joint. „Das ist so relaxed hier“, schwärmt Gerry (43) aus Manchester. Dabei hat die Stadt längst die Notbremse gezogen: Kiffen ist seit Ende Mai auf den Straßen im alten Zentrum verboten. Die Kunden vor dem „Dampkring“ wollen das nicht glauben. „Das ist ein Witz, oder?“ Doch große Schilder warnen vor Geldstrafen von 100 Euro.
Auch in Teilen der USA blüht das Geschäft mit dem „grünen Gold“, es gibt einen regelrechten Cannabis-Tourismus - speziell in Kalifornien. Die Stadt Oakland etwa listet auf der „Cannabis-Trail“-Webseite die besten Verkaufsstellen und andere Highlights auf. „Root'd In The 510“ ist Oaklands größter Cannabis-Shop mit über 1400 Produkten, in Glasvitrinen elegant zur Schau gestellt, wie teurer Schmuck in einem Juweliergeschäft. „Raus aus dem Schattendasein, rein ins Licht“, sagt Ladenbesitzer Rickey McCullough mit einem breiten Grinsen.
2018, gleich zu Beginn der Legalisierung der Droge als Genussmittel in dem Bundesstaat, erhielt der 37-Jährige die begehrte Verkaufslizenz für eine so genannte „Dispensary“. Zehn Jahre zuvor hatte er noch wegen illegalen Marihuana-Anbaus kurz in Haft gesessen. Nun verkauft er ganz legal ein riesiges THC-Sortiment, wie essbare Gummis, Schokolade, Kekse, Getränke, Cremes und Wellness-Produkte, neben einer riesigen Auswahl von Cannabis-Blüten und fertig gerollten Joints. Mindestalter 21 ist die einzige Voraussetzung zum legalen „Pot“-Shoppen. Allerdings ist auch in Kalifornien der Konsum auf der Straße und öffentlichen Plätzen weiterhin untersagt.
Die Trudeau-Regierung in Kanada hat ebenfalls bereits 2018 Cannabis legalisiert. Einer der Gründe war, Gras aus der Illegalität zu holen und den Markt zu regulieren. Umfragen zeigten zuletzt, dass der Konsum nach einigen Jahren des leichten Anstiegs nun fast wieder auf dem Niveau von vor der Legalisierung liegt. Mittlerweile gehört Cannabis aber - ob als Getränk, Joint oder Gummibärchen - in weiten Teilen Kanadas zum normalen Leben speziell junger Menschen dazu.
Komplizierter ist die Lage in Nepal. Einst zog das Land im Himalaya unzählige Hippies an - nicht zuletzt wegen der vielen Cannabis-Läden. Das Marihuana-Rauchen ist hier aber auch kulturell verankert, und der Konsum wurde lange als völlig normal angesehen. Aber in den 1970er Jahren verbot das Land Produktion, Verkauf und Konsum - nachdem die USA im Rahmen ihres damaligen Krieges gegen Drogen Druck gemacht hatten. Wer dagegen handelt, kann sogar ins Gefängnis wandern.
Trotzdem hat noch so mancher in aller Öffentlichkeit einen Joint in der Hand, oft drückt die Polizei ein Auge zu. So rauchen Sadhus - als heilig angesehene und von Almosen lebende Männer - regelmäßig auf den Geländen hinduistischer Tempel. Zudem sieht man auf dem Land oft Cannabis-Pflanzen in Gärten. Und auch beim „Shivaratri“-Fest zu Ehren des Hindu-Gottes Shiva, das jedes Jahr Hunderttausende Gläubige begehen, spielt der Konsum eine wichtige Rolle. Inzwischen gibt es Bestrebungen, die Droge wieder zu legalisieren.
In Europa ist Griechenland gewisserweise das Eldorado für Cannabis-Freunde - was den Anbau betrifft. Immer wieder entdeckt die Polizei große Plantagen mit Tausenden Pflanzen, die dann verbrannt werden. Selbst auf dem Berg Olymp und in Klostergärten wurden die Fahnder fündig. Auf Kreta geht es besonders kriminell zu: In dem unwegsamen, bergigen Gelände der Insel gibt es Drogen-Barone und Clans, die ihre Terrains sogar mit Waffengewalt verteidigen.
An der griechischen Westküste wiederum finden bisweilen filmreife Verfolgungsjagden auf dem Meer statt, wenn Dealer die Drogen aus Griechenland und Albanien mit hochmotorisierten Schnellbooten nach Italien schaffen wollen und die Polizei ihnen mit Hubschraubern und Patrouillenbooten nachsetzt. Verboten bleibt Cannabis dennoch - eine Legalisierung lehnt die konservative Regierung kategorisch ab.
Auch in Dänemark bestimmt das Thema Cannabis seit einigen Wochen die Titelseiten. Grund dafür ist keine Legalisierung, sondern ein ausgeprägter Streit um die berüchtigte Drogenmeile des Landes: In der Kopenhagener Freistadt Christiania haben die Einwohner genug von den Dealern, die in der sogenannten Pusher Street mehr oder weniger frei sichtbar Haschisch und Marihuana verticken. Dieses Geschäft befindet sich seit geraumer Zeit immer fester in der Hand von Rockern und Gangs, was zu Gewalttaten und tödlichen Schüssen geführt hat.
Die Einwohner von Christiania wollen die berüchtigte Straße nun schließen lassen - wie das ablaufen soll, müssen die dänischen Behörden klären. Gelingt es, wäre es ein historischer Schritt: Drogen gehören seit mehr als 50 Jahren zu der Hippie-Wohnsiedlung, auch Touristen schauen sich die Pusher Street gerne an. Die Christianiter hoffen nun, die Kriminellen loszuwerden - gleichzeitig aber auch auf einen legalisierten, staatlich regulierten Drogenmarkt.
Ein vom Bundeskabinett auf den Weg gebrachter Gesetzentwurf sieht vor, Cannabis im deutschen Betäubungsmittelgesetz von der Liste der verbotenen Substanzen zu streichen. Für Volljährige ab 18 Jahre soll der Besitz von 25 Gramm erlaubt werden. Privat sollen maximal drei Pflanzen angebaut werden dürfen. In Cannabis-Clubs sollen Vereinsmitglieder die Droge gemeinschaftlich anbauen und gegenseitig abgeben dürfen - pro Monat höchstens 50 Gramm pro Mitglied. Ziel ist ein Inkrafttreten Anfang 2024. Die Begründung: Die Verbotspolitik sei gescheitert, da trotzdem immer mehr gekifft werde. Gegner befürchten eine „Normalisierung“ der Droge, sinkende Hemmschwellen auch bei Jugendlichen und verweisen auf Gefahren des Cannabis-Konsums für das noch nicht ausgereifte Gehirn bei Heranwachsenden.
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