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Veröffentlicht am 02.06.2025 06:09, aktualisiert am 02.06.2025 18:45

Ukraine und Russland einigen sich auf Gefangenenaustausch

Delegationen der neuen direkten Verhandlung zwischen Russland und der Ukraine kommen unter türkischer Führung zusammen (Foto: Alexander Ryumin/TASS via ZUMA Press/dpa)
Delegationen der neuen direkten Verhandlung zwischen Russland und der Ukraine kommen unter türkischer Führung zusammen (Foto: Alexander Ryumin/TASS via ZUMA Press/dpa)
Delegationen der neuen direkten Verhandlung zwischen Russland und der Ukraine kommen unter türkischer Führung zusammen (Foto: Alexander Ryumin/TASS via ZUMA Press/dpa)

Die Ukraine und Russland sind einer Waffenruhe bei ihrer zweiten kurzen Verhandlungsrunde in Istanbul nicht näher gekommen. Beide Seiten einigten sich in dem etwa einstündigen Zusammentreffen aber auf einen Austausch Tausender Kriegsgefangener und Soldatenleichen. Dieser könnte der größte seit Beginn des russischen Angriffskrieges sein, nachdem schon im Mai bei einer ersten Verhandlungsrunde jede Seite 1.000 Gefangene freigelassen hatte. Diesmal sollen es nach russischen Angaben mindestens wieder so viele werden. 

Der Austausch soll laut dem ukrainischen Verteidigungsminister und Verhandlungsführer Rustem Umjerow folgende Gruppen umfassen:

- schwer verletzte und schwer kranke Kriegsgefangene

- junge Soldaten zwischen 18 und 25 Jahren

- Leichen getöteter Soldaten.

In den beiden ersten Kategorien gelte das Prinzip „alle gegen alle“. Der Leiter der russischen Delegation, Wladimir Medinski, bestätigte die Vereinbarung über einen entsprechenden Austausch von Gefangenen. Ihm zufolge könnten auch mehr als 1.000 Kriegsgefangene ausgetauscht werden. Bei der Rückgabe der gefallenen Soldaten gehe es um 6.000 ukrainische Soldaten.

Dafür solle es eine kurze Waffenruhe von zwei, drei Tagen an verschiedenen Frontabschnitten geben, damit beide Seiten ihre Toten bergen könnten. „Dies wird nun von unseren militärischen und den ukrainischen Fachleuten ausgearbeitet“, sagte Medinski. Er gab in Istanbul weitere Details zu den Verhandlungen bekannt:

- Russland erhielt von der Ukraine eine Liste mit Namen von 339 Kindern, die nun mit ihren Eltern oder Vormunden zusammengeführt werden sollen.

– Moskau übergab auch ein Memorandum in zwei Teilen für eine Waffenruhe und für eine Beendigung des Krieges, das Kiew nun prüfen will - Details nannte zunächst keine der beiden Seiten.

Die Gesprächsrunde in Istanbul ist die zweite seit Mitte Mai. Davor hatten die Kriegsparteien zuletzt 2022 nach Beginn der Moskauer Invasion direkt miteinander gesprochen. Die Friedensverhandlungen damals scheiterten.

Weitere Gesprächsrunde angekündigt

Die Ukraine schlug laut ihrem Verhandlungsführer Umjerow den Russen zudem Ende Juni als Termin für Folgegespräche vor. Und sie forderte erneut ein Treffen auf höchster Ebene: „Alle Schlüsselfragen können nur auf Ebene der Führungsspitze gelöst werden“, sagte Umjerow. Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte Kremlchef Wladimir Putin zu einem Treffen aufgefordert und vorgeschlagen, dass daran auch US-Präsident Donald Trump und der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan teilnehmen könnten.

Zentrale Forderung der Ukraine vor Beginn der Gespräche war die Durchsetzung einer bedingungslosen Waffenruhe für 30 Tage als Ausgang für Verhandlungen zur Lösung des Konflikts insgesamt. Der russische Verhandlungsführer Medinski sagte, dass das Moskauer Memorandum verschiedene Varianten einer Waffenruhe enthalte, konkreter wurde er aber nicht.

Bekannt ist aber, dass Russland zwei Bedingungen als Mindestvoraussetzung für eine Waffenruhe stellt. So soll die Ukraine auf westliche Waffenlieferungen verzichten und die Mobilmachung einstellen. Verhindern will Moskau so, dass Kiew eine Feuerpause zum Kräftesammeln im Krieg nutzt. 

Ukraine fordert Rückführung „verschleppter Kinder“

Bei der von der Ukraine an Russland übergebenen Liste von Kindern handelt es sich aus ihrer Sicht um verschleppte Minderjährige. „Es geht um Hunderte Kinder, die Russland gesetzwidrig deportierte, zwangsweise umsiedelte oder in den temporär besetzten Gebieten festhält“, schrieb der Chef des ukrainischen Präsidentenbüros, Andrij Jermak, bei Telegram.

Nach früheren Angaben aus Kiew hatte Moskau mehr als 19.500 ukrainische Minderjährige aus den eroberten Gebieten „zwangsverschleppt“. Mehr als 1.000 konnten dabei auch durch internationale Vermittlung in die Ukraine zurückkehren. Über 160 aus ukrainischer Sicht verschleppte Kinder fanden sich teils mit ihren gesetzlichen Vertretern in Deutschland wieder. 

2023 hatte der Internationale Strafgerichtshof wegen des Vorwurfes der Verschleppung von ukrainischen Kindern Haftbefehle gegen Putin und die russische Kinderbeauftragte Maria Lwowa-Belowa ausgestellt. Mit Blick auf die nun von Kiew vorgelegten 339 Namen sagte Medinski, dass die Ukraine seit Jahren die Zahlen übertrieben habe und daraus eine Show gemacht habe für mitleidvolle Europäer.

„Wir reden hier von Dutzenden von Kindern, und diese Kinder sind nicht entführt worden“, sagte Medinski. Die Kinder seien aus dem Kampfgebiet gerettet worden. „Und wir suchen nach den Eltern. Und wenn die Eltern auftauchen, bringen wir sie zurück.“

Treffen ging Verschärfung der Angriffe voraus

Der türkische Präsident Erdogan nannte das Treffen „ganz, ganz großartig“ und sagte: „Mein größter Wunsch ist es, sowohl Herrn Wladimir Putin als auch Selenskyj in gleicher Weise in Istanbul oder Ankara zusammenzubringen – und auch Herrn Trump an ihre Seite zu stellen.“ Dass das Treffen „trotz des gestrigen Vorfalls“ stattgefunden habe, sei ein Erfolg für sich.

Kurz vor dem Treffen in Istanbul hatten beide Kriegsparteien ihre gegenseitigen Angriffe massiv ausgeweitet - mit Opfern und Schäden auf beiden Seiten. Die Ukraine führte einen spektakulären Schlag gegen Russlands strategische Bomberflotte aus. Die Moskauer Reaktion auf den Verlust einer größeren Zahl an Flugzeugen steht noch aus. Der ukrainische Geheimdienst hatte nach eigenen Angaben viele kleine Drohnen nach Russland geschmuggelt und sie dort von Lastwagen aus in der Nähe russischer Militärflugplätze angreifen lassen.

© dpa-infocom, dpa:250602-930-618125/7


Von dpa
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