Erneut ist Europa von starkem Hochwasser betroffen: In Deutschlands Nachbarländern Österreich, Polen und Tschechien sowie in Rumänien mussten Tausende Menschen ihre Häuser verlassen, zudem gibt es bereits einige Todesfälle und mehrere Vermisste. Der tschechische Regierungschef Petr Fiala sprach bereits von einem sogenannten Jahrhunderthochwasser. In dieser Woche könnte es auch Deutschland treffen.
Wegen der Häufung von Unwettern in den vergangenen Jahren stellen sich viele Menschen die Frage, welche Rolle der Klimawandel spielt. Was wir wissen.
Im Zuge des Klimawandels steigt Experten zufolge die Häufigkeit und Intensität von Extremwetterereignissen. Sogenannte Attributionsstudien hatten zuletzt für mehrere Extremwetterlagen in Deutschland gezeigt, dass die Wahrscheinlichkeit dafür durch den Klimawandel erhöht wurde und künftig noch stärker erhöht wird.
Dass wärmere Luft mehr Wasser aufnehmen kann, führt beispielsweise zu heftigeren Niederschlägen. Durch den Klimawandel nimmt das Potenzial für Starkniederschläge daher grundsätzlich zu. Durch länger andauernde Trockenphasen wiederum steigt regional das Risiko für Waldbrände. Auch Hitzewellen werden im Zuge des Klimawandels häufiger, intensiver und langanhaltender.
Einer Schnellanalyse zufolge hatte der Klimawandel wahrscheinlich auch an der aktuellen Starkregenepisode in Mitteleuropa großen Anteil. Die natürliche Klimavariabilität allein könne die Intensität des beobachteten Ereignisses nicht erklären, teilte das Forschungskonsortium Climameter mit.
Grund für die jetzige Lage ist laut einem Meteorologen des Deutschen Wetterdienstes (DWD) ein Tiefdruckgebiet - ein sogenanntes Vb-Tief -, das sich mit extrem warmer Luft über dem Mittelmeer vollgesogen hat. Dieses habe sich dann über der kalten Mitte und dem Osten Europas abgeregnet.
Deutschland habe bisher nur die Reste am Rand mitbekommen. „Für den Balkan und Italien sieht es in den kommenden Tagen eher schlecht aus - ein neues Tief schiebt das Vb-Tief zurück zum Mittelmeer und es regnet sich weiter aus“, sagte der Meteorologe.
Nach den Überschwemmungen in Deutschlands östlichen Nachbarländern fließt das Wasser laut DWD nun in Neiße, Elbe und auch in die Oder - und damit stiegen auch die Pegel im Osten Deutschlands, auch wenn sich die Lage dort bislang weniger dramatisch darstellt. Überschwemmungen sind aber möglich - auch in bebauten Gebieten.
In der sächsischen Landeshauptstadt Dresden wird der Hochwasserscheitel der Elbe für Mitte der Woche erwartet. Am Mittwoch und Donnerstag sollen nach Angaben des Landeshochwasserzentrums die Wasserstände bei gut sechs Metern liegen - knapp über dem Richtwert der Alarmstufe 3, die die zweithöchste Alarmstufe ist. Die höchste Alarmstufe wird die Elbe laut Einschätzung von Hydrologen aber nicht erreichen. Auch in Bayern soll das Hochwasser nicht so dramatisch werden wie zuletzt im Juni, wie der Hochwassernachrichtendienst mitteilte.
Bundesinnenministerin Nancy Faeser zufolge ist Deutschland auf mögliche Hochwasserlagen vorbereitet und das Technische Hilfswerk (THW) einsatzbereit.
Auch die Stadt Dresden hat nach der Jahrhundertflut im Jahr 2002 viel Erfahrung mit Hochwasser und rüstet sich entsprechend: Die Altstadt wird durch mobile Spundwände geschützt, zudem sollen Flutschutztore vor Wassermassen schützen. Vielerorts werden Barrieren aus Sandsäcken errichtet. Normal sind am Elbpegel der Dresdner Innenstadt 1,42 Meter, bei der Jahrhundertflut 2002 waren es 9,40 Meter.
Der Freistaat Sachsen investierte seitdem rund 3,3 Milliarden Euro aus EU-, Bundes- und Landesmitteln in Flutschutz und -schadensbeseitigung. Unter anderem wurden Deiche saniert, Rückhalteräume geschaffen, das Pegelmessnetz hochwassersicher ausgebaut sowie das Informations-, Vorhersage- und Alarmsystem deutlich verbessert.
Laut einer Studie, die das Unabhängige Institut für Umweltfragen (Ufu) kürzlich im Auftrag der Grünen-Bundestagsfraktion erstellt hat, sind in Deutschland etwa 384.000 Menschen in den kommenden Jahren mit hoher Wahrscheinlichkeit von Hochwasser betroffen. Experten sind sich einig: Das Land muss dringend nachrüsten, um für diese und andere Ereignisse gewappnet zu sein.
Bundesumweltministerin Steffi Lemke (Grüne) kündigte am Montag an, noch bis Jahresende ein Hochwasserschutz-Gesetz im Kabinett verabschieden zu wollen. Das soll unter anderem helfen, Genehmigungen von Anpassungsmaßnahmen wie Deichrückverlegungen in Deutschland zu beschleunigen.
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