Unter Verweis auf die Kernkraftpläne anderer Länder fordert Bayern eine Änderung des deutschen Atomrechts, um auch hierzulande eine Rückkehr zur Atomkraft zu ermöglichen. Nach Angaben von Staatskanzleichef Florian Herrmann (CSU) zeige sich global ein zunehmender Trend zur neuartigen Nutzung der Kernkraft, nur Deutschland drohe den Anschluss zu verpassen. „Wir sehen, dass eine intensive Forschung und Entwicklung auf diesen Gebieten stattfindet, was aber bei uns in den letzten Jahren nicht mehr stattgefunden hat, auch wegen der Rechtslage. Und deshalb muss das Atomgesetz entsprechend geändert werden.“
Da in Deutschland am 23. Februar eine Neuwahl des Bundestags ansteht, dürfte das Thema sowohl im anstehenden Wahlkampf als auch bei den dann folgenden Koalitionsverhandlungen eine größere Rolle einnehmen. Die Union hatte, wie auch AfD und FDP, wiederholt erklärt, den Atomausstieg rückgängig machen zu wollen.
Die bayerische Staatsregierung sehe „bei aller Überzeugung“ für den Ausbau der erneuerbaren Energie auch großes Potenzial bei neuartigen Kernreaktortypen. „Weshalb wir als Freistaat Bayern von der Bundesebene die Änderung des Atomgesetzes fordern, um neuen Technologien die Chance zu geben, für den Einsatz, für die Rückkehr auch zur Kernkraft in Deutschland.“ Dadurch werde eine zuverlässige und sichere Energieerzeugung ermöglicht und gleichzeitig könne die klimaschädliche CO2-Emission reduziert werden.
In fast allen größeren Industrienationen würden derartige Kraftwerke geplant, erforscht oder entwickelt. „Und das Ganze findet überall statt, nur nicht in Deutschland“, sagte Herrmann. „Wir sehen das in den Vereinigten Staaten, die bis 2050 die Energieerzeugung aus Kernenergie verdreifachen wollen.“
Besonders großes Potenzial sehe die Staatsregierung bei sogenannten Transmutationsreaktoren, Bayern wolle hier, wie bei anderen „hochmodernen Innovationsschritten“ mit von der Partie sein. Dieses Verfahren wird seit Jahrzehnten erforscht. Ziel ist es, hoch radioaktive Abfälle sicher zu entsorgen. Eine Variante, die es bisher nur in der Theorie gibt, ist die industrielle Anwendung von Transmutation zur Verringerung der Menge radioaktiver Abfälle. Mit diesem Verfahren sollen langlebige Bestandteile des Abfalls gezielt in kurzlebige oder stabile Stoffe umgewandelt werden.
Bayerns Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) sprach von einer spannenden Diskussion über die neuen Atomkraftwerke, erklärte aber auch, dass die neuen Reaktoren mit einer Leistung von 300 bis 400 Megawatt frühestens in den 2030er-Jahren in größerer Zahl produziert und zur Energiegewinnung genutzt werden könnten. Daher würden diese Kraftwerkstypen vorerst keinen Beitrag zur Versorgungssicherheit leisten können.
Die Grünen wiesen die Forderung umgehend zurück. Bisher gebe es weltweit keinen einzigen funktionierenden sogenannten Small Modular Reactor (SMR) und auch die Kernfusion sei bislang eine reine Wunschvorstellung, sagte Martin Stümpfig, energiepolitischer Sprecher der Landtagsfraktion. Dass sich das Kabinett dennoch damit beschäftige, solle einzig vom eigenen Versagen bei der Energiewende und dem Klimaschutz ablenken.
© dpa-infocom, dpa:241126-930-300029/1