Im Schlussspurt der Weltklimakonferenz kämpfen Deutschland und Dutzende weitere Länder für ehrgeizigere Ergebnisse im Kampf gegen die Erderhitzung. Nötig sei ein klarer Fahrplan zur Abkehr von der klimaschädlichen Verbrennung von Öl, Gas und Kohle, heißt es in einem von der Bundesregierung unterstützten Brandbrief einer breiten Allianz an die brasilianische Konferenzleitung.
Bundesumweltminister Carsten Schneider sagte wenige Stunden vor dem geplanten Ende des zweiwöchigen UN-Treffens mit Blick auf den aktuellen Entwurf für den Abschlusstext: „So kann der Text nicht bleiben.“ Der SPD-Politiker betonte, es brauche mehr konkrete Fortschritte für den Klimaschutz. „Das werden noch harte Verhandlungen.“
Auch der EU-Chefverhandler, Kommissar Wobke Hoekstra zog eine rote Linie. „Wir werden diesen Text unter keinen Umständen akzeptieren – und nichts, was auch nur annähernd dem entspricht, was jetzt vorliegt.“
Auch Umweltschützer befürchten schwache Ergebnisse der zweiwöchigen Beratungen in Belém, die offiziell um 18.00 Uhr Ortszeit (22.00 MEZ) enden sollen. In den vergangenen Jahren wurden die Treffen stets um Stunden oder gar Tage verlängert.
Zu den Unterzeichnern des Brandbriefs gehören neben Deutschland auch Frankreich, Großbritannien, Spanien, Kolumbien, Chile sowie Kenia und etliche kleine Inselstaaten, die wegen des steigenden Meeresspiegels vom Untergang bedroht sind. Sie fordern Nachbesserungen an den zuletzt veröffentlichten Textentwürfen. „Wir können kein Ergebnis unterstützen, das keinen Fahrplan enthält für eine geordnete und gerechte Abkehr von fossilen Brennstoffen“, schrieben sie. Ein zweites Bündnis – zum Teil mit den gleichen Unterstützerstaaten – pocht auf eine sozial gerechte Abkehr von Öl, Kohle und Gas. An der Spitze stehen hier Kolumbien und die Niederlande, Deutschland war zunächst nicht dabei.
Der Oxfam-Experte Jan Kowalzig nannte es „schlicht unakzeptabel“, dass die Textentwürfe keinen Ausstiegsplan aus fossilen Brennstoffen vorsähen. Es drohe ein „politischer Fehlschlag“. Nun müssten Indien und China von der Idee eines solchen Plans, auf der COP30 Roadmap genannt, überzeugt werden. Andererseits gelte es, reiche Ölstaaten wie Saudi-Arabien zu isolieren, „so dass diese nicht mehr im Weg stehen können“. Sie haben eine Blockademacht, weil einstimmige Entscheidungen nötig sind.
Deutschlands Greenpeace-Chef Martin Kaiser sagte: „In den kommenden Stunden geht es ums Ganze!“ Unerlässlich seien aus seiner Sicht grundlegende Entscheidungen zum weltweiten Stopp der Entwaldung – die ebenfalls in den vorliegenden Textentwürfen fehlen.
Aktivisten von Fridays for Future und anderen Gruppen protestierten auf den Fluren der Konferenz gegen den aktuellen Entwurf. Es brauche einen klaren Plan für den Ausstieg, rief die deutsche Aktivistin Carla Reemtsma.
Schnelles Handeln ist angesichts der eskalierenden Klimakrise nötig. Denn beim Verbrennen von Öl, Gas und Kohle entstehen die meisten klimaschädlichen Treibhausgase, so dass sich der Planet immer mehr aufheizt. Die zehn wärmsten Jahre seit Beginn der Aufzeichnungen waren: die vergangenen zehn. Und inzwischen geht die Wissenschaft davon aus, dass die im Pariser Klimaabkommen angestrebte 1,5-Grad-Grenze spätestens zu Beginn der 2030er Jahre befristet überschritten wird.
Der brasilianische Präsident der aktuellen Weltklimakonferenz, André Corrêa do Lago, appellierte eindringlich an die Verhandler, Kompromissbereitschaft zu zeigen. Es gehe nicht ums Gewinnen oder Verlieren, sondern um einen Konsens fast aller Staaten der Erde, was einen Wert an sich habe.
„Die Welt schaut auf uns“, sagte do Lago. Gelinge keine Einigung, spiele das den Gegnern des Multilateralismus, also der internationalen Zusammenarbeit, in die Hände. Ausdrücklich erwähnte er in diesem Zusammenhang die USA, die der Konferenz ferngeblieben waren.
Am Vortag hatte UN-Generalsekretär António Guterres in Belém den Verhandlern ins Gewissen geredet. „Jetzt ist Führung gefragt. Seien Sie mutig. Folgen Sie den wissenschaftlichen Erkenntnissen. Stellen Sie den Menschen über den Profit“, drängte er.
Viviane Raddatz von der Naturschutzorganisation WWF sagte, es sei jetzt die schwierige Aufgabe der brasilianischen Präsidentschaft, einen Kompromiss zu finden. Der aktuelle Textentwurf müsse nachgebessert werden. „Aber es ist noch genug Zeit und wir sehen auch den Raum dafür.“
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