Magdeburgs Trainer Bennet Wiegert wischte sich schon in der Schlussminute die Tränen aus den Augen und pustete nach Abpfiff kräftig durch. Auf dem Parkett feierten seine Spieler vor dem rot-grünen Fanblock wild tanzend den dritten Pokaltitel ihrer Vereinshistorie.
Angeführt von Torhüter Sergey Hernandez haben die Handballer des SC Magdeburg die Doping-Debatte um den suspendierten Schlussmann Nikola Portner kurzzeitig verstummen lassen und dürfen nach dem 30:19 (13:11) gegen die MT Melsungen weiter vom Triple träumen.
Die Hessen müssen dagegen weiter auf ihren ersten Titel überhaupt warten, können aber so gut wie sicher für die European League planen. „Mir fehlen gerade die Worte, weil ich einfach nur happy bin. Die ganzen Leute, die uns so unterstützen, ich habe es ihnen so gewünscht. Mit der Woche drumherum, ein Riesen-Ballast, der da abfällt“, sagte Wiegert nach dem letztlich klaren Final-Erfolg in Köln. Der Coach berichtete, dass er nach der Finalniederlage im Vorjahr „nächtelang, wochenlang nicht schlafen konnte“.
Weltklassespieler Gisli Kristjansson war einfach nur stolz, Teil des Sieger-Teams zu sein. „Wir haben immer weitergespielt, in der zweiten Halbzeit haben wir das Tempo bestimmt. Unsere Abwehr war überragend, aber wie Sergey performt hat, war einfach Wahnsinn“, lobte der Isländer seinen Torhüter Hernandez, der verdient als Spieler des Turniers ausgezeichnet wurde. Die Magdeburger Fans feierten seine Leistung und waren in Gedanken auch bei Portner mit „Niko, Niko“-Rufen. „Wir haben auch für ihn gespielt. Das ist unser Freund, unser Teamkamerad. Wir haben ihn in unserem Herzen“, sagte Janus Dadi Smarason. Wiegert betonte: „Er (Portner) ist Teil des Teams. Er hat ganz emotionale Sachen in unsere Whatsapp-Gruppe geschrieben. Wir sind in dieser schweren Zeit definitiv auch bei ihm.“
Im mit 19.750 Fans ausverkauften Kölner Hexenkessel lief Magdeburgs Lukas Mertens mit sieben Treffern zur Hochform auf. Nach zuvor zwei Endspiel-Niederlagen in Serie beendete der SCM seinen Final-Fluch und darf sich über eine Prämie von 200.000 Euro freuen. Bei Melsungen ragte Timo Kastening mit fünf Toren heraus. Zuvor hatte sich die SG Flensburg-Handewitt mit einem 31:28-Erfolg gegen die Füchse Berlin den dritten Platz gesichert.
Mit dem Erfolg vor den Augen von Bundestrainer Alfred Gislason fand Magdeburgs turbulente Woche doch noch ein versöhnliches Ende. Portners positiver Doping-Test hatte für Unruhe vor dem Finalwochenende gesorgt und die Vorbereitung massiv beeinträchtigt. „Das ist alles schwierig gewesen. Wir haben es auch für ihn gemacht“, hatte SCM-Profi Mertens schon nach dem Halbfinale gesagt.
Nach dem Schlusspfiff meinte er in der ARD: „Es ist meine siebte Saison beim SCM, und ich stand schon drei- oder viermal im Finale. Und das Ding endlich mit nach Hause nach Magdeburg zu nehmen, ist mit das Größte. Ich kann es noch gar nicht richtig realisieren.“ Mitspieler Michael Damgaard hatte dann bei der Siegerehrung das Portner-Trikot an.
Portners Fehlen war allerdings beim Finalturnier kein sportlicher Verlust, denn sein Vertreter Hernandez wuchs über sich hinaus. Nach einer beeindruckenden Leistung im Halbfinale gegen Bundesliga-Tabellenführer Füchse Berlin vereitelte der Spanier auch im Endspiel zahlreiche Chancen der Melsunger. Dass sich das Spiel zunächst trotzdem ausgeglichen gestaltete, lag zum einen am zu Beginn starken MT-Keeper Nebojsa Simic. Zum anderen leistete sich der SCM ungewöhnlich viele technische Fehler.
Nachdem beide Mannschaften ihre Anfangsnervosität abgelegt hatten, entwickelte sich auf dem Parkett ein unfassbarer Kampf. Intensive und teils sehr hart geführte Zweikämpfe verdeutlichten die Bedeutung dieses Spiels. Einfache Ballverluste leisteten sich sowohl Magdeburg als auch Melsungen aber weiterhin. Kurz vor der Pause gingen die Elbestädter erstmals mit drei Toren in Führung (13:10).
Nach dem Wechsel baute der Favorit seine Führung aus. Vor allem Nationalspieler Mertens spielte sich nun in einen Lauf und traf mit seinem fünften Treffer binnen weniger Minuten zum 21:17. Melsungens Gegenwehr war gebrochen und die Abwehr öffnete immer mehr Schlupflöcher. Der SCM konnte sich nun mühelos zum Titel werfen.
Kapitän Christian O'Sullivan richtete noch vor der Siegerehrung den Blick auf die nächsten Titelchancen in Bundesliga und Champions League: „Wir müssen einfach mehr gewinnen, die Füchse verlieren ja auch nicht. Schon am Freitag müssen wir nach Flensburg.“
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