Mit lautstarken Protesten haben die Bauarbeiter am Montag ihre bundesweite Warnstreikwelle begonnen. Den Auftakt machte Niedersachsen, ab Dienstag soll es im gesamten Bundesgebiet zu Arbeitsniederlegungen kommen. „Wir sind auf einen langen Arbeitskampf eingestellt“, sagte Carsten Burckhardt, Bundesvorstandsmitglied der Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU), bei der zentralen Kundegebung in Osnabrück. „Wir treffen alle - Handwerk und Industrie in Ost, West, Nord, Süd.“
Rund 300 Streikende waren nach Angaben der Gewerkschaft zu der Kundgebung nach Osnabrück gekommen und zogen anschließend spontan demonstrierend durch die Stadt. Weitere 150 versammelten sich in Langenhagen bei Hannover vor einer bestreikten Straßenbaustelle. Viele Bauarbeiter zeigten sich enttäuscht über die Weigerung der Arbeitgeber, den im April vom Schlichter vorgelegten Kompromiss anzunehmen. „Bei den Kollegen ist Dampf unter dem Kessel“, sagte Kai Schwabe, Regionalleiter der IG BAU in Niedersachsen in Hannover. Auch in Osnabrück sei die Stimmung aufgeheizt, erklärte Christian Wechselbaum, Regionalleiter Weser-Ems.
Am ersten Streiktag sei der Arbeitskampf „noch sehr punktuell und nicht flächendeckend gewesen“, sagte eine Sprecherin des Zentralverband Deutsches Baugewerbe. Ähnlich äußerte sich der Hauptverband der Deutschen Bauindustrie. Landesweit legten in Niedersachsen nach Angaben der Gewerkschaft mehr als 1000 Bauleute die Arbeit nieder. Betroffen waren unter anderem die Baukonzerne Strabag, Eurovia und weitere Firmen, darunter auch Bauhandwerker. Die IG BAU will die Warnstreiks am Dienstag fortgesetzt und auf weitere Regionen ausweiten. Die Arbeitgeberverbände rechnen damit, dass die Auswirkungen dann deutlich spürbarer werden als am ersten Tag. Neben Straßenbau und Großbaustellen könne es auch private Bauherren und Einfamilienhäuser treffen.
„Für unsere Unternehmen bedeutet jeder Tag, an dem nicht gebaut wird, einen wirtschaftlichen Schaden in ohnehin unsicherer Lage, vor allem im Wohnungsbau“, sagte eine Sprecherin des Hauptverbandes der Deutschen Bauindustrie. „Es bleibt für die Arbeitgeberinnen und Arbeitgeber ein Arbeitskampf zur Unzeit“, hieß es beim Baugewerbe. Beider Verbände forderten die Gewerkschaft auf, schnell zu einer Verhandlungslösung zu kommen. In der Tarifrunde bilden Bauindustrie und Baugewerbe eine Tarifgemeinschaft.
„Ich empfehle den Arbeitgebern, uns als Gewerkschaft und die Wut Ihrer Mitarbeitenden nicht zu unterschätzen“, sagte IG-BAU-Bundesvorstand Burckhardt in Osnabrück. „Wir sind immer zu ernsthaften Gesprächen bereit. Aber nur dann, wenn das Angebot besser als der Schlichterspruch ist.“
Hintergrund ist die Anfang Mai geplatzte Tarifschlichtung im Bauhauptgewerbe mit 930.000 Beschäftigten. Nach drei erfolglosen Verhandlungsrunden hatte der Schlichter Rainer Schlegel am 19. April zweistufige Lohnerhöhungen vorgeschlagen. Zunächst sollten die Einkommen zum Mai pauschal um 250 Euro steigen und elf Monate später noch einmal 4,15 Prozent im Westen und 4,95 Prozent im Osten. Während die IG BAU den Kompromissvorschlag annahm, lehnten die Arbeitgeberverbände ihn Anfang Mai ab.
Für den Start des bundesweiten Ausstands habe man Niedersachsen ausgewählt, weil die dortigen Arbeitgeber zusammen mit einigen anderen Regionen die Umsetzung des Schlichterspruchs verhindert hätten, so die Gewerkschaft. „Der Schlichterspruch ist in Niedersachsen gescheitert. Und deswegen beginnen wir hier in Niedersachsen.“, sagte Regionalleiter Schwabe. An den Schlichterspruch fühle man sich nun nicht mehr gebunden. Gestreikt werde jetzt wieder für die ursprüngliche Forderung nach 500 Euro mehr im Monat.
Zuletzt war es 2007 auf dem Bau zum Ausstand gekommen, damals regional begrenzt auf Schleswig-Holstein und Niedersachsen. Einen bundesweiten Streik gab es auf dem Bau zuletzt 2002.
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