Ein Dorf. Ein Verein. Und ein Haus für alle. Neu gebaut auf altem Grund. „Unser Gedanke ist aufgegangen. Wenn wir einen Raum haben, geht etwas“, sagt Petra Loscher. Sie wird mit dem Ehrenamtspreis der FLZ für den Monat Juni ausgezeichnet.
Die 53-Jährige ist die Vorsitzende des Dorfvereins Bergtheim. Er entstand aus der Not. „Wir hätten nie ein Dorfhaus gebaut, wenn wir weiter unser Wirtshaus gehabt hätten. Doch die Linde mit ihrem großen Saal machte zu.“
Danach sei schnell klar geworden, dass Provisorien nichts taugen, um die Traditionen zu pflegen, von der Kerwa bis zum Laternenumzug der Kinder, vom Faschingsdienstag und dem Fest an Fronleichnam bis zur gemeinsamen Feier ins neue Jahr. „Mir war immer ein großes Anliegen, die Traditionen zu bewahren. Das darf man nie aufhören. Es fängt keiner mehr an.“
Von Veranstaltungen oder Stammtischen ganz zu schweigen. „Wenn du nichts hast, wo sich ein Dorf treffen kann, bricht es auseinander. Für die kleinen Dörfer ist das schlimm. So eine Gemeinschaft findet man in größeren Orten nicht. Sie ist über Jahrhunderte gewachsen.“
Der Ortsteil von Gutenstetten (Landkreis Neustadt/Aisch-Bad Windsheim) hat rund 125 Einwohner. Sie setzten sich ohne Wirtshaus ein neues Ziel, erzählt Petra Loscher. „Wir wollten erst einmal ein organisatorisches Dach haben, zum Beispiel für die Kirchweih. Ein Dorfverein, der alles vereint.“ Gesagt, gegründet. Feuerwehr und Schützen lösten ihre eigenen Vereine auf und wurden zu Abteilungen im Dorfverein. Eine dritte Abteilung bekam die Jugend. „Wir wollten, dass die jungen Leute von Anfang an eine Stimme haben. Viele machen den Fehler, die Jungen nicht mitreden zu lassen. Man muss bereit sein, an sie etwas abzutreten.“
Doch wo gibt es ohne Wirtshaus einen Treffpunkt? „Es ist schnell die Idee von einem Dorfhaus gereift.“ Platz war mitten im Dorf. Dort war ein Lagerplatz für ein Fuhrunternehmen. „Dessen Vorfahren waren Mehlhändler. Der Hausname Melber hatte sich erhalten.“
Die Gemeinde trug das Projekt im kleinen Bergtheim, dazu kamen über 3500 Stunden Eigenarbeit und mehrere Zuschüsse für neues Leben an den Weihern zwischen Oberdorf und Unterdorf. Die Eigentümer verkauften das Grundstück, eine Scheune wurde abgerissen. Damit war Platz für ein Haus mit zwei Teilen, verbunden über einen Durchgang mit Toiletten. Auf der einen Seite als Feuerwehrhaus, auf der anderen das Dorfhaus. Getauft bei der Einweihung im Dezember 2019 nach dem uralten Hausnamen: die Melberei.
„So heißt sonst keiner“. Petra Loscher sitzt am großen Tisch neben der Theke. Der Raum hat eine gemütliche Ecke und einen großen Bereich mit Platz für rund 100 Besucher. Ideal für Versammlungen, private Feste und kulturelle Projekte. „Wir machen nur Veranstaltungen, die unserem Rahmen entsprechen. Wir wollen keine Riesen-Events, sondern selber Spaß haben. Wir holen nicht die Musik, zu der 1000 Leute kommen würden, sondern die, die uns gefällt.“
Die Auswahl geht reihum. „Mal sucht die Jugend die Musik bei der Kerwa aus, mal die Älteren.“ Die Kerwa und Rockkonzerte sind auf der Wiese vor der Melberei. An Abwechslung ist kein Mangel. „Wenn jemand eine Idee hat, sagen wir: Mach!“
Als Vorsitzende packt Petra Loscher am liebsten selbst mit an, aber sie mischt sich nicht überall ein. „Zu denen, die etwas übernehmen, habe ich absolutes Vertrauen. Das ist noch nie enttäuscht worden.“ Vor allem die Jugend braucht Freiräume, ist sie überzeugt. „Man muss die jungen Leute machen lassen, wenn sie mitarbeiten möchten und Ideen haben.“ Im Dachgeschoss hat die Jugend einen eigenen Raum. Die Achtung vor den Jüngeren trägt Früchte. „Bei uns sind inzwischen viele zwischen 20 und 30 Jahren dabei. Das macht Hoffnung, dass es weitergeht.“
Quer durch alle Altersgruppen sind fast alle Einwohner im Verein. Ausflüge, Wanderungen, Spanferkel-Essen, Spielplatzfest und am Samstag ein Stammtisch für die Senioren gehören zum Programm. An Händen, die zupacken, mangelt es nie. „Wenn wir ein Zelt aufbauen, sind 30, 40 Leute dabei. Weil es lustig ist und wir danach zusammensitzen. Die Geselligkeit muss passen.“
Diese Balance ist für Petra Loscher entscheidend. „Wir suchen ein Maß, das uns trotz der damit verbundenen Arbeit noch Spaß macht. Feiern ist wichtig. Man kann die Leute nicht nur zum Arbeiten holen.“ Dabei will sie ihre eigene Rolle nicht überschätzt wissen. „Als Vereinsvorsitzende bist du nur so gut wie die Mannschaft, die mitarbeitet. Ich kann keine Idee allein verwirklichen.“
Im Dorfverein gibt es keinen Zwang. „Jeder kann leben, was er will. Und jeder kann dabei sein, wenn er will.“ Petra Loscher wünscht auch anderen Dörfern den Mut, alte Strukturen zu überdenken. „Die Zukunft liegt im Fusionieren, damit man gut aufgestellt ist. Es muss nicht jeder Verein sein eigenes Grillfest machen. Es gibt eh ein Überangebot an Veranstaltungen. Und alle jammern, dass sie keine Helfer mehr bekommen. Es wäre eine Bereicherung, zusammenzulegen oder sich abzuwechseln. Das sorgt für mehr Leben. Irgendeiner macht immer etwas.“
Aufgewachsen mit drei Brüdern im Dorf, das alle „Bergla“ nennen, hatte sie schon früh ein Interesse für soziale Themen entwickelt. „Ich hab mich schon immer für politische Dinge interessiert. Deshalb war ich schon früh bei Versammlungen im Wirtshaus. Da waren vielleicht mal zwei oder drei Frauen dabei.“
Nach der Ausbildung bei der Post lernte Petra Loscher als Zustellerin den halben Landkreis kennen. Seit acht Jahren steuert sie von Neustadt aus den Fuhrpark der Post mit über 300 Fahrzeugen im westlichen Mittelfranken zwischen Markt Bibart und Herrieden, Rothenburg und Langenzenn. Neben dem Dorfverein engagiert sich die Mutter von zwei erwachsenen Töchtern im Gemeinderat und im Kirchenvorstand. „Man muss Ehrenamt mal versuchen, damit man weiß, dass es schön sein kann. Mein Ziel ist, andere begeistern zu können, dass es Spaß macht zusammen zu arbeiten.“
Für ihr Engagement wird die 53-Jährige bei der Aktion „Mein Ehrenamt” mit dem Preis für den Monat Juni ausgezeichnet. Sie kennen auch eine Person aus der Region, deren ehrenamtliches Engagement einen Preis verdient hätte? Dann schlagen Sie sie über unser Bewerbungsformular vor. Hier finden Sie alles zur Aktion.