Deutschlands aufstrebende Branche für Computer- und Videospiele befürchtet einen herben Nackenschlag durch die Bundespolitik. Sollte der erst 2020 eingeführte Fördertopf des Bundes tatsächlich schrumpfen, drohe die Aufholjagd gegenüber anderen Staaten abgebrochen zu werden, sagte der Geschäftsführer des Branchenverbandes Game, Felix Falk, bei der Vorstellung der weltgrößten Branchenmesse Gamescom, die in der kommenden Woche in Köln stattfindet.
Mit Blick auf die Pläne der Bundesregierung zur Spieleindustrie sagte er: „So schafft es Deutschland nicht, Firmen anzuziehen und weitere Jobs entstehen zu lassen.“
Seit 2020 gibt es einen Fördertopf des Bundes, um die Gamesbranche anzukurbeln. Zunächst waren es 50 Millionen Euro im Jahr, 2023 waren es nach dem Votum eines Bundestagsausschusses sogar 70 Millionen Euro. Im Windhundverfahren werden die Gelder vergeben - wer zuerst kommt, hat Glück, die anderen haben Pech. Dieses Jahr war schon im Mai Schluss. Um die Nachfrage zu decken, wären schätzungsweise 125 Millionen Euro nötig gewesen.
Im Juli kam dann die nächste schlechte Nachricht für die Firmen, denn einem Haushaltsentwurf der Bundesregierung zufolge stehen 2024 nur noch 48,7 Millionen Euro Fördermittel zur Verfügung.
„Dieses Hin und Her in der deutschen Förderpolitik ist Gift für den Standort“, sagte Falk. Staaten wie Kanada, Frankreich oder Großbritannien täten schon seit Jahren viel, damit sich ein möglichst großer Teil der Wachstumsbranche bei ihnen ansiedele. So eine Entschlossenheit für vergleichbare Standortbedingungen lasse die Bundesregierung hingegen vermissen. Die Kürzung sei ein schlechtes Signal an die weltweite Branche. Dadurch entstehe Unsicherheit, wie ernst es Deutschland meine mit der Wettbewerbsfähigkeit für Games.
Aus Sicht des NRW-Medienministers Nathanael Liminski (CDU) ist die Kürzung „ein herber Rückschlag für den Gamesstandort Deutschland“. „Unsere Entwickler und Produzenten brauchen Planungssicherheit, um wettbewerbsfähig zu bleiben.“ Unter den aktuellen Bedingungen werde Deutschland nicht mit anderen Staaten wie Kanada oder Frankreich mithalten können. „Die Bundesregierung soll aufhören, große Worte zu schwingen und anfangen, den Gamesunternehmen in Deutschland eine Perspektive aufzuzeigen“, sagte der Landespolitiker, dessen Partei im Bundestag auf der Oppositionsbank sitzt.
Laut Branchenvertreter Falk ist klar, dass anderthalb Jahre lang keine neuen Förderanträge mehr bewilligt werden. Denn die knapp 50 Millionen Euro seien im kommenden Jahr nur dafür vorgesehen, Ansprüchen aus alten Anträgen nachzukommen - Spieleentwickler bekommen das Fördergeld scheibchenweise, also Jahr für Jahr.
„Wollen wir in Deutschland wirklich zur Weltspitze aufschließen oder genügen wir uns mit den hinteren Rängen? Diese Frage gilt es zu beantworten“, sagte Falk und verwies auf eine doch eigentlich „tolle Bewegung“ der Branche, die in den vergangenen Jahren vorangekommen und auf einem international wettbewerbsfähigen Niveau angelangt sei.
Zahlen belegen den Aufschwung: Seit 2020 schnellte die Zahl der Games-Unternehmen in Deutschland um 46 Prozent auf 908 in die Höhe. Darunter sind größere Firmen wie Ubisoft, Innogames, Wooga und Gameforge, aber auch viele kleine Entwickler. Rund 12.000 Beschäftigte hat die deutsche Games-Branche nach Verbandsangaben inzwischen, ein Fünftel mehr als 2020.
Nach Ansicht von Branchenvertreter Falk ist die Arbeit attraktiver geworden. Es gebe junge Leute, die Geschichten erzählen wollten und dies nicht mit Büchern oder Filmen tun wollten, sondern mit Spielen. „Die Leute haben sich entschieden, es interaktiv zu erzählen, es sozial zu erzählen und es im Miteinander zu erzählen“, sagte der Verbandsgeschäftführer. „Das ist die große Stärke von Spielen.“
Bei der am 23. August startenden weltgrößten Computerspiel-Messe Gamescom präsentieren sich 1220 Aussteller, grob gesagt 300.000 Menschen dürften kommen. Auch Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck ist angemeldet. Darf die Branche darauf hoffen, dass der Grüne sich vielleicht doch noch für eine Erhöhung der Förderung einsetzt? Eine Sprecherin des Bundeswirtschaftsministeriums wollte diese Hoffnung am Dienstag nicht nähren. Die 70 Millionen Euro seien in diesem Jahr „eine einmalige und deutliche Erhöhung“ gewesen. Die nun vorgeschlagenen 48,7 Millionen Euro für 2024 lägen „in etwa auf dem Niveau des Jahres 2022“ - damals waren es 50 Millionen gewesen.
Tatsächlich war es erst durch das Votum eines Bundestagsausschusses zu besagten 70 Millionen Euro gekommen - theoretisch ist es also noch möglich, dass die jetzt von der Bundesregierung vorgeschlagenen 48,7 Millionen Euro im parlamentarischen Verfahren noch steigen. Auf dieses Verfahren verwies auch Branchenvertreter Falk. Minister Habeck werde „sicherlich keine Geldkoffer mitbringen“, sagte er und betont, dass neben den direkten Finanzspritzen auch eine steuerliche Erleichterung ratsam wäre - Entwicklungskosten sollten steuerlich anrechenbar werden, wodurch Investitionen angekurbelt würden.
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