Angesichts der wachsenden Bedrohungen für die Demokratie in Deutschland fordert Alt-Bundespräsident Joachim Gauck ein Umdenken in der Gesellschaft. „Wir brauchen so etwas wie einen umfänglichen Mentalitätswandel hin zu dem Bewusstsein, wir haben Werte geschaffen, die es wirklich wert sind, sie zu verteidigen“, sagte Gauck in seiner Rede auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel am Tegernsee. Diese neue Entschlossenheit müsse sich nicht nur in der Politik der neuen Bundesregierung wiederfinden.
Gauck mahnte an, dass die in Deutschland gegebene Freiheit und der hier bestehende Frieden nicht für immer gegeben sei. Wer glaube, dass dies selbstverständlich sei, verkenne, „man kann verlieren, was man besitzt“. Jedes „zögerliche und abwartende Anschauen und Hinblicken auf etwas, was möglicherweise uns erspart bleibt, wenn wir nur stillhalten“ halte er für eine friedensgefährdende Politik.
Mit Blick auf die Bedrohung Europas durch Russland sagte Gauck, hier seien in der Vergangenheit viele Fehler gemacht worden. Hätte Deutschland früher auf seine polnischen und osteuropäischen Nachbarn gehört, „wir wären früher aufgewacht und hätten diese Selbstverteidigung, die uns jetzt als Pflicht auferlegt ist, früher als eine unumgängliche Pflicht begriffen“. Nun müsse sich das Land ertüchtigen, um den Frieden zu bewahren, „indem wir uns selbst nicht ohnmächtig und hilflos aufstellen“.
Gauck wurde auf dem Ludwig-Erhard-Gipfel mit dem „Freiheitspreis der Medien“ ausgezeichnet. „Joachim Gauck hat sein Leben der Freiheit, Gerechtigkeit und Demokratie gewidmet. Als Visionär und entschiedener Verfechter unserer freien Welt ist der 85-Jährige ein Vorbild in politisch angespannten Zeiten“, hieß es in der Begründung der Jury. Als Bundespräsident habe der evangelische Theologe gesellschaftliche Debatten geprägt – und präge sie bis heute.
Der „Freiheitspreis der Medien“ wird jedes Jahr bei der mehrtägigen Veranstaltung an Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens vergeben, die sich in besonderer Weise für die freie Meinungsäußerung, den Dialog und die Demokratie einsetzen. Im vergangenen Jahr hatten der kurz zuvor gestorbene Kreml-Kritiker Alexej Nawalny und seine Frau Julia den Preis erhalten, 2023 wurde Garri Kasparow ausgezeichnet. Zu den Preisträgern gehörten auch der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj und der ehemalige sowjetische Präsident Michail Gorbatschow.
© dpa-infocom, dpa:250507-930-512985/1