Handgepäckmassen im Flieger: „Wir sind keine Gepäckverlader“ | FLZ.de | Stage

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Veröffentlicht am 01.04.2025 00:07

Handgepäckmassen im Flieger: „Wir sind keine Gepäckverlader“

Gewohntes Bild an Flughäfen: Rollkoffer, die klein genug sind, damit sie als Handgepäck durchgehen. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa-tmn)
Gewohntes Bild an Flughäfen: Rollkoffer, die klein genug sind, damit sie als Handgepäck durchgehen. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa-tmn)
Gewohntes Bild an Flughäfen: Rollkoffer, die klein genug sind, damit sie als Handgepäck durchgehen. (Foto: Frank Rumpenhorst/dpa-tmn)

Die Menge an Handgepäck auf Flügen wächst. Auch, weil immer mehr Airlines Extragebühren für Aufgabegepäck verlangen oder das nur noch in teureren Tarifen inklusive ist. An Bord der Flieger sorgt das für volle Gepäckfächer und Stress. Das beobachten Flugbegleiter wie Nikolaus Moehren aus vorderster Reihe.

„Was früher bei einer Woche Sommerurlaub bequem im Koffer aufgegeben wurde, wird heute teilweise ins Handgepäck gestopft“, sagt der erfahrene Kabinenchef. Im Interview gibt er Einblicke, was ihn ärgert, und liefert praktische Tipps, wie Fluggäste ihr Handgepäck optimal verstauen.

Frage: Herr Moehren, die Fluggesellschaft Asiana hat Flugbegleiterinnen und Flugbegleitern jüngst untersagt, schwere Kabinen-Trolleys selbst in die Handgepäckfächer zu räumen – außer etwa für Schwangere und Ältere. Der Grund: Verletzungsgefahr. Haben Sie sich schon mal beim Verstauen von Handgepäck wehgetan?

Nikolaus Moehren: Nein, ich habe mich zum Glück noch nicht verletzt und mir auch noch nicht wehgetan. Das liegt jetzt vielleicht auch an meiner Konstitution. Ich bin 1,95 Meter groß, sportlich. Da wuchtet man notfalls mal ein schweres Gepäckstück nach oben. 

Aber auch bei uns, ich arbeite als Kabinenchef bei Lufthansa, sind wir angehalten, das nicht zu machen – da geht es um die Arbeitssicherheit. Ein Verbot ist das nicht. Ich sage nur immer zu meiner Kabinencrew: „Ihr fasst nichts an, was euch zu schwer ist.“

Natürlich helfen wir einer älteren Dame oder jemandem, der körperlich eingeschränkt ist. Aber einem sportlichen Familienvater oder einen Geschäftsmann im besten mittleren Alter, und die nenne ich hier ganz bewusst, muss ich nicht sein Handgepäck verstauen. Grundsätzlich sind wir keine Gepäckverlader, sondern Flugbegleiter - und für die Sicherheit an Bord zuständig.

Frage: Oft wird der Platz in Gepäckfächern auch nicht ideal genutzt. Wie sollten Fluggäste ihr Handgepäck hineinpacken, damit möglichst viele andere noch ihre Köfferchen verstauen können?

Moehren: Kabinen-Trolleys werden am besten mit den Rädern in Richtung Bordwand reingeschoben. In neuere Gepäckfächer kann ich sie hochkant reinstellen – das ist natürlich ideal, so schaffe ich noch mehr Platz. In älteren Fächern geht das nicht. Aber auch wenn die Trolleys quer darin liegen, kann man zumindest die Handtasche oder seine Jacke oben drauflegen und ein bisschen stopfen.

Worauf ich Passagiere immer wieder hinweisen muss: Mit ihrem Sitz haben sie nicht automatisch auch genau das Gepäckfach darüber gebucht – also sollen sie sich bitte nicht ärgern, wenn sie noch drei, vier Meter weitergehen müssen, um das Handgepäck im Fach zu verstauen, weil über ihrem Sitz schon alles belegt ist.

Und wenn oben gar nichts mehr hineingeht, dann das Handgepäck bitte unter den Vordersitz legen. Das geht. Ich bin selbst groß gewachsen und kann auch in unserer Economy-Klasse noch bequem sitzen, wenn ein Rucksack oder ein Kabinen-Trolley zwischen den Füßen ist.

Stichwort Kleidung: Abgesehen von den Reihen am Notausgang finden sich an den Lehnen des Vordersitzes immer Jackenhaken. Das würde auch schon für wesentlich weniger Probleme oben in den Gepäckfächern sorgen, wenn die Mäntel häufiger dort angehängt werden.

Frage: Kann sich der Flug verspäten, weil es mit dem Handgepäck hakt?

Moehren: Ja, das kann passieren. In dem Moment, wo der Flieger losrollt, müssen alle Passagiere sitzen und die Gepäckfächer geschlossen sein. Damit nichts mehr herausfallen kann, wenn der Flieger etwa über eine Bodenwelle fährt auf dem Weg zum Start. 

Gerade an großen Flughäfen wie London, Paris oder Frankfurt sind die Abflugslots manchmal sehr knapp – wenn man seinen verpasst, muss man mitunter eine Stunde auf den nächsten freien warten. Darum muss man sich echt ranhalten und wenn kurz vor dem geplanten Losrollen noch Passagiere im Gang stehen und nicht wissen, wohin mit ihrem Rucksack, geht die große Verstau-Hektik los. 

Wir können aber auch keinen Platz zaubern, wo keiner ist. Notfalls müssen wir das Gepäck in den Frachtraum ausladen – das sorgt dann nochmal für richtig Verzögerung. Und die Gründe dafür sind eben nicht immer, dass es an Bord an Raum für die Handgepäckmengen fehlt, sondern dass das nicht effizient eingeräumt wurde oder Passagiere sich beispielsweise weigern, Handgepäck unter den Vordersitz zu verstauen statt im Gepäckfach.

Ehrlicherweise: ein bisschen mehr Rücksichtnahme auf andere Mitreisende, ein bisschen mehr Köpfchen einschalten - damit wäre schon viel gewonnen.

ZUR PERSON: Nikolaus Moehren arbeitet als Purser, also Kabinenchef, bei Lufthansa. Bei der Flugbegleiter-Gewerkschaft UFO ist er Sprecher der Lufthansa-Tarifkommission und Mitglied der Arbeitsgemeinschaft Flugsicherheit.

© dpa-infocom, dpa:250331-930-420004/1


Von dpa
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