In Coburg hatten die Nationalsozialisten leichtes Spiel | FLZ.de | Stage

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Veröffentlicht am 21.04.2025 04:37

In Coburg hatten die Nationalsozialisten leichtes Spiel

Blick aufs historische Coburg. (Archivbild) (Foto: Daniel Vogl/dpa)
Blick aufs historische Coburg. (Archivbild) (Foto: Daniel Vogl/dpa)
Blick aufs historische Coburg. (Archivbild) (Foto: Daniel Vogl/dpa)

In Coburg fasste der Nationalsozialismus besonders früh Fuß, schon vor der Machtübernahme Adolf Hitlers waren hier die Machtstrukturen der Nazis etabliert. Warum gerade Coburg? Warum konnte die NS-Ideologie und ihr Herrschaftssystem sich ausgerechnet hier so ausbreiten? 

Diesen Fragen geht nun eine umfassende Studie nach. „Coburg voran!“ mit mehr als 800 Seiten stammt aus der Feder der Historikerin Eva Karl, die Initiative dafür ging vom früheren Coburger Oberbürgermeister Norbert Tessmer (SPD) aus, 2015 fasste der Stadtrat einen Entschluss zur Aufarbeitung des dunklen Kapitels der Vergangenheit. Begleitet wurde das Projekt von einer wissenschaftlichen Kommission.

SA marschierte durch die Stadt 

„Der Aufstieg der NSDAP entfaltete sich in Coburg aus dem stadtbürgerlichen Milieu als Teil des bürgerlich-protestantischen Lagers mit seinen Strukturen und Vereinen heraus“, schreibt Karl. Die Stadt selbst habe sich die Bezeichnung „erste nationalsozialistische Stadt Deutschlands“ zugeschrieben.

In Coburg gewann die NSDAP bereits 1929 die Stadtratsmehrheit, 1931 wurde Franz Schwede der erste nationalsozialistische Bürgermeister. Doch eine Art Versuchsfeld für die Nazis wurde die Stadt schon Jahre zuvor. 1922 kamen Adolf Hitler und sein Schlägertrupp SA von München nach Coburg zu einer Veranstaltung. Die SA marschierte durch die Stadt, in der Hofbräugaststätte lauschte Herzog Carl Eduard von Sachsen-Coburg und Gotha als Ehrengast Hitlers Rede.

Gewalt im öffentlichen Raum

Erst 1919 war das Herzogtum zu Bayern gekommen, der Geist früherer Größe durchwehte immer noch die Straßen - Albert, der Prinzgemahl der britischen Königin Victoria, stammt aus dem Hause Sachsen-Coburg und Gotha: ein Städtchen auf Identitätssuche. Die NS-Ideologie fiel auf fruchtbaren Boden.

Der Fall Coburg zeige eindrücklich, wie viele Initiativen und auch Mobilisierung von der kommunalen Ebene ausgehen konnten, schreibt die Wissenschaftlerin. „Hier fand die NSDAP einen gewichtigen Kampfplatz sowohl zur Machtübernahme als auch zum Erhalt des Regimes.“ 

Dazu gehörte auch Gewaltanwendung: „Die gewaltsamen Auseinandersetzungen mit politischen Gegnern und die dabei eingeübten Gewaltpraktiken bildeten eine maßgebliche Grundlage für die zunehmende Gewalt auch gegenüber jüdischen Coburgern“, heißt es. Die Nationalsozialisten hätten die Herrschaft über die Innenstadt für sich beansprucht, bewaffnet mit „Hundepeitschen und anderen Gegenständen“.

Das Buch sei wichtig, um zu verstehen, was die Coburgerinnen und Coburger damals angetrieben habe, notiert der heutige Oberbürgermeister Dominik Sauerteig (SPD) in seinem Vorwort. Von diesem Nährboden zu wissen, sei auch wichtig für die Zukunft, damit „ein solcher Nährboden nie wieder hier entstehen kann“.

© dpa-infocom, dpa:250421-930-454166/1


Von dpa
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