Vom Automobilbau in die Rüstungsindustrie, vom Bürojob ins Klassenzimmer: In Zeiten des Fachkräftemangels und der Digitalisierung bieten sich neue Chancen, aber auch Herausforderungen für Berufsumsteiger. Doch welche Kompetenzen sind wirklich gefragt? Die wichtigsten Fragen und Antworten.
Nach der klassischen Definition nimmt ein Quereinsteiger eine neue berufliche Rolle ein, ohne diese jemals vorher ausgeübt zu haben. Stattdessen bringt die Person Erfahrungen und Qualifikationen aus einem anderen Bereich mit.
Charakteristisch für Quereinsteiger ist, dass sie...
„Branchen, die wachsen, sind besonders offen für Quereinsteiger“, sagt Wolfram Tröger, Vizepräsident des Bundesverbands Deutscher Unternehmensberatungen (BDU).
Auch bestimmte Berufsbilder eignen sich gut für Quereinsteiger. Dazu zählt laut Frank Hensgens, Geschäftsführer Indeed, der Vertrieb. Hier seien eher kommunikative Fähigkeiten und Zielstrebigkeit gefragt, außerdem Logistik, Transport, Einzelhandel und das Gesundheitswesen, wegen des hohen Fachkräftemangels. Auch das Bildungswesen sei zunehmend offen für Quereinsteiger.
Im Tech-Bereich bieten Unternehmen sogenannte Bootcamps zur Weiterbildung an. „Das Jobangebot für Quereinsteiger ist aber rückläufig, weil die Weiterbildung teils mit viel Aufwand verbunden ist“, sagt Hensgens.
Typisch ist im Moment außerdem der Wechsel von der Automobil- hin zur Rüstungsindustrie. Zudem seien Kommunen zunehmend bereit, Quereinsteiger einzustellen, so Tröger.
Die Gründe können ganz unterschiedlich sein. Der Arbeitsmarkt verändert sich, Jobs fallen jetzt schon weg oder werden in Zukunft wegfallen, Branchen schrumpfen, sodass bestimmte Fähigkeiten nicht mehr gefragt sind. Auch die persönliche Unzufriedenheit, die Suche nach mehr Sinn oder einer besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie können hinter einem Quereinstieg stecken.
Manche Stellenanzeigen weisen explizit darauf hin, dass Quereinsteiger willkommen sind. „Wenn Unternehmen das erwähnen, haben sie in der Regel auch Onboarding- oder Weiterbildungsprogramme“, sagt Hensgens. Diese können den Übergang in den neuen Beruf erleichtern.
Aber auch wenn das nicht der Fall sein sollte, kann eine Bewerbung von Erfolg gekrönt sein, meinen die Experten. Der Aufwand lohne jedoch nicht, wenn Spezialisten mit bestimmten Fähigkeiten und Ausbildungen gefragt seien, die seit Jahren in der Branche arbeiten.
Den Experten zufolge wissen Personalchefs um die Vorteile eines Quereinsteigers. Manche Fachbereichsverantwortlichen sähen das jedoch teils anders und fragten immer noch ab, welche Berufserfahrung es in genau dem Job gibt, oder sortieren Bewerbungen aus.
„Das können wir uns bei dem Fachkräftemangel aber nicht mehr leisten“, sagt Hensgens. Natürlich benötigt ein Quereinsteiger Coaching und Einarbeitung, größere Unternehmen haben aber das Re- und Upskilling gut organisiert und bieten es auch innerhalb des Betriebs an.
Typische Vorurteile, mit denen man bereits im Vorstellungsgespräch kämpfen muss, lauten: Warum wollen Sie jetzt wechseln? Sind Sie wirklich flexibel genug?
Warum wollen Sie die Expertise und Ihr Netzwerk, dass Sie sich über Jahre aufgebaut haben, aufgeben? Hierfür müsse man sich die Argumente gut zurechtlegen, rät Tröger.
Oft werden Quereinsteiger aber als bereichernd für Teams und Unternehmen gesehen werden. Sie können frische Ideen einbringen und Probleme aus neuen Blickwinkeln betrachten.
Es sind die sogenannten Soft Skills, mit denen Bewerber punkten können. Die Experten-Tipps sehen so aus:
Dafür kann man Beispiele aus dem privaten oder ehrenamtlichen Bereich anführen, die zeigen, dass man sich über den Beruf hinaus für andere Tätigkeiten interessiert. Haben Sie vielleicht eine neue Sprache gelernt? „Das geht alles mündlich, dafür braucht es keine Nachweise oder Zeugnisse“, sagt Hensgens.
Für die Vorbereitung raten die Experten, sich intensiv mit dem Unternehmen auseinanderzusetzen: Was genau macht es, wie sehen das Geschäftsmodell und der Job aus, was sollte man mitbringen?
Man sollte zeigen, dass man bereit ist, alles, was man bis jetzt nicht bieten kann, sich durch Weiterbildung anzueignen oder vielleicht schon erste Weiterbildungen absolviert hat.
Schildern Sie Ihre Motivation. „Viele Unternehmen entscheiden heute mehr danach als nach Erfahrung“, sagt Hensgens. Personalberater Tröger meint: Spielen Sie nichts vor, was Sie nicht sind. Informieren Sie sich über die Website oder andere Veröffentlichungen über die Kleiderordnung und das Verhalten. Sind alle per Du oder eher konservativ?
Für das Gespräch rät Tröger dazu, nicht zu aufdringlich zu sein, sondern auch mal Fragen des Gegenübers zuzulassen, Pausen zu machen. Halten Sie Blickkontakt.
Wer das Gefühl hat, alleine nicht voranzukommen, kann sich an Karriere-Coaches oder die Agentur für Arbeit wenden. Auch die eine oder andere Personalberatung kann helfen oder hat zumindest Kontakte. Jobcenter fördern Weiterbildungen, in Foren für Quereinsteiger oder LinkedIn-Gruppen finden sich Gleichgesinnte.
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