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Veröffentlicht am 26.05.2025 16:58

Jagdverband stößt Debatte um „Wald vor Wild“-Grundsatz an

Der Bayerische Jagdverband fordert eine Novelle des Waldgesetzes in Bayern. (Symbolfoto) (Foto: Peter Kneffel/dpa)
Der Bayerische Jagdverband fordert eine Novelle des Waldgesetzes in Bayern. (Symbolfoto) (Foto: Peter Kneffel/dpa)
Der Bayerische Jagdverband fordert eine Novelle des Waldgesetzes in Bayern. (Symbolfoto) (Foto: Peter Kneffel/dpa)

Während im Freistaat noch um eine Reform des Jagdgesetzes gerungen wird, fordert der Bayerische Jagdverband (BJV) eine Novelle des bayerischen Waldgesetzes. Der darin verankerte Grundsatz „Wald vor Wild“ müsse fallen, beschloss das BJV-Präsidium bei einer Klausurtagung am Wochenende und legte hierzu ein Positionspapier vor. Aus Sicht des BJV verstößt der Grundsatz „Wald vor Wild“ gegen das Grundgesetz. Kritik gibt es dafür vom Forstministerium und vom Bund Naturschutz (BN).

Der Jagdverband verweist auf Artikel 20a des Grundgesetzes, in dem der Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen und der Schutz der Tiere gleichrangig geführt wird. Im bayerischen Waldgesetz heißt es seit 2005 in Artikel 1, es müsse ein standortgemäßer und möglichst naturnaher Zustand des Waldes bewahrt oder hergestellt werden und zwar unter Berücksichtigung des Grundsatzes „Wald vor Wild“.

Der Jagdverband fordert, diesen Zusatz zu streichen. Denn, so argumentierte Präsident Ernst Weidenbusch: „”Wald vor Wild” - das heißt Profit statt Tierschutz. Das Grundgesetz verbietet eine solche Priorisierung.“ 

Hintergrund der BJV-Forderung ist die vom Wirtschaftsministerium geplante Novelle des Jagdgesetzes in Bayern und die darin vorgesehene teilweise Abschaffung der Abschusspläne für Rehwild. Der BJV fordert hier mehr Eigenverantwortung für Jäger und Waldbesitzer.

Gegenwind kommt von Forstministerin Michaela Kaniber (CSU). Der Grundsatz „Wald vor Wild“ sei in Zeiten der Klimakrise wichtiger und aktueller denn je, teilte sie mit. Das Ökosystem Wald habe lebenswichtige Funktionen für die Gesellschaft und müsse „Vorrang vor jagdlichen Einzelinteressen an hohen Wildbeständen“ haben. Zu hohe Schalenwildbestände gingen zu Lasten der Baumarten, auf die stabile Zukunftswälder dringend angewiesen seien - auch als Lebensraum für Wildtiere. 

BN: „Wald vor Wild“ essenziell für Waldumbau

Auch der BN hält den Leitsatz „Wald vor Wild“ essenziell für den angesichts der Klimakrise benötigten Waldumbau. „Der Vorschlag vom Jagdverband geht völlig an der Realität vorbei“, sagt BN-Artenschutzexpertin Christine Markgraf. Die Jäger würden sich damit langfristig selbst schaden. „Ohne nachwachsenden klimaresilienteren Mischwald werden wir in Zukunft gar kein Wild mehr in unseren Wäldern haben, welches die Jäger schießen können.“

BN-Jagdreferent Ralf Straußberger bezeichnet es als bedauerlich, dass „die BJV-Spitze die gemeinsamen Bemühungen um zukunftsfähige Wälder mit dieser Initiative torpediert“. Gerade in Zeiten der Klimakrise müssten Mischbaumarten nachwachsen können, die mit Hitze und Trockenheit besser zurechtkommen. Das sei keine Frage des Profits. „Wir können es uns schlicht nicht leisten, dass die Jägerschaft so hohe Wildbestände in den Wäldern hält, dass diese die Waldverjüngung auffressen.“

BJV-Kritik an Abschussplänen und Forstlichem Gutachten

Der Jagdverband und auch der für das Thema Jagd zuständige Wirtschaftsminister Hubert Aiwanger (Freie Wähler) wollen die behördlichen Abschusspläne in der bisherigen Form abschaffen. Diese geben vor, wie viel Rehwild geschossen werden muss, um Wälder vor Wildverbiss zu schützen. Allerdings habe diese Maßnahme bisher nicht zu einer signifikanten Reduzierung von Verbissschäden geführt, heißt es im Entwurf zur Jagdgesetzreform. Das sieht der BN anders. Er will an den Abschussplänen festhalten.

Erstellt werden die Abschusspläne von den unteren Jagdbehörden auf Basis von Gutachten der Forstbehörden. Hier setzt die Kritik des BJV an: „Eine Grundlage für Abschussempfehlungen durch die Bayerische Forstverwaltung gibt es im Bayerischen Jagdgesetz nicht. Diese Expertise liegt bei uns Jägern“, sagt Weidenbusch. 

Zudem würden für das Forstliche Gutachten Verbissschäden in Waldgebieten mit teils mehreren Hundert Hektar Fläche lediglich auf einem Ausschnitt von wenigen Quadratmetern beurteilt. Das reiche nicht aus. Die Gesamtsituation der Wälder müsste genauer berücksichtigt werden. Der BJV fordert, im Bayerischen Waldgesetz einen Artikel zu Aufgabe, Umfang und Inhalt des Forstlichen Gutachtens zu ergänzen.

© dpa-infocom, dpa:250526-930-594361/1


Von dpa
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